Natürlich ist dieser Film eine riesengroße Spielerei. Aber eine, die wirklich hübsch anzusehen ist. Disney verfilmt einen seiner beliebtesten Klassiker neu – und das Geschrei ist groß. „Wie einfallslos!“ „Fällt denen nichts Neues ein?“ In der Tat: Neu ist die Geschichte vom kleinen Simba, der einmal „Der König der Löwen“ werden soll, nicht. Wie viele Kinder (und Eltern) beim Tod von Simbas Papa im Zeichentrick von 1994 (siehe Kasten) wohl schon im Kino oder daheim beim DVD-Nachmittag Tränen über Tränen vergossen haben? Wie viele gelacht über Pumba, das Warzenschwein, und seinen Kumpel, Erdmännchen Timon? Auch in Hamburg, beim Musical im eigens dafür umgebauten Theater (siehe Kasten). Und nun stelle man sich vor, all die lieb gewonnenen Figuren würden lebendig werden. Disney stellt die Mähne auf und zeigt, wer der King in Sachen Computeranimation ist.
Was man dem Film vorwerfen kann, ist etwas, das in der Natur der Sache liegt: Eine echte Hyäne schaut nicht so lustig aus wie im Zeichentrick, sondern wesentlich angsteinflößender. Gleichzeitig fällt es einem als Zuschauer schwerer, eine Nähe zu den positiv besetzten Figuren aufzubauen. Echte Löwen singen nicht, echte Vögel sprechen nicht. Unser Hirn weigert sich, ganz und gar mitzugehen, wie wir es bei den knuddeligen, das Kindchenschema vollends ausreizenden Zeichentrickfiguren taten. Es ist jetzt mehr ein Staunen, eine Faszination angesichts der irren Techniken, die heute möglich sind. Der neue „König der Löwen“ mutet in vielen Szenen an wie eine Tierdokumentation – mit dem entscheidenden Unterschied, dass wir niemals echte Tiere zu Gesicht bekommen. Alles am Computer generiert. Perfekte Illusion.
Wenn gleich zu Beginn Tim Rices und Elton Johns „Circle of Life“ durch die Savanne schallt und Elefanten, Antilopen, Zebras herbeitrampeln, -springen, -traben, um ihren neuen Prinzen zu ehren, ist das eine phänomenale Vorführung der gigantischen Artenvielfalt einer noch gigantischeren Welt. Neben der Coming-of-Age-Geschichte, in der sich Simba vom in den Tag hineinlebenden „Hakuna Matata!“-Hippie zum seine Pflichten erkennenden, verantwortungsvollen Thronfolger entwickelt, ist das eine wesentliche Botschaft des Films, des Musicals, der Musik: Wir sind alle Teil eines empfindlichen Kreislaufs, den zu schützen wir allzu gern vergessen. Und uns zuweilen wie Simbas böser Onkel Scar aufführen, der seine Position an der Spitze der Nahrungskette für egoistische Zwecke nutzt – und so die Zerstörung des Gleichgewichts in Kauf nimmt. Ein Film, der daran erinnert, kann nicht ganz schlecht sein. (Ab 6 Jahren.)
„Der König der Löwen“
Regie: Jon Favreau Laufzeit: 117 Minuten