Ins Heute getanzt

von Redaktion

Mit „Jewels“ und illustren Gästen startete die Ballettfestwoche im Münchner Nationaltheater

VON MALVE GRADINGER

Jeder Ballettchef versucht, in dem ihm gegebenen Rahmen sein Profil zu etablieren. Statt Ballettwoche mit einer Terpsichore-Gala, wie sie Ivan Liška bis 2016 im Bayerischen Staatsballett pflegte, bietet sein Nachfolger Igor Zelensky lediglich Repertoire – dafür zum Teil mit illustren Gästen (siehe Kasten), die im besten Falle einer Rolle eine so noch nicht gesehene Eigenschaft ertanzen. Gleich für den Festwochen-Auftakt im Münchner Nationaltheater mit George Balanchines berühmtem neoklassischen Opus „Jewels“ von 1967 hatte Zelensky zwei Erste Solistinnen eingeladen: Ashley Bouder vom New York City Ballet (NYCB) und Alina Somova vom St. Petersburger Mariinsky Ballett.

Mit den beiden Stars, aber auch rein formal betrachtet, ist dieser Dreiteiler mit seinen in jeweils raumgreifende Ensemble-Architekturen eingelassenen Hals-und-Fuß-brecherischen Soli, Pas de deux und Pas de trois schon selbst eine Über-Gala. Eine sehr edle – so hervorragend wie insgesamt getanzt wurde, so feinnervig wie Robert Reimer das Staatsorchester durch Gabriel Fauré, Igor Strawinsky und Peter Tschaikowsky dirigierte. Im ersten Teil, den „Emeralds“, bevölkern die Tänzer die smaragdgrüne Bühne wie eingehüllt in Faurés verträumt elegische Fin-de-siècle-Stimmung – und scheinen verwandelt in Sommernachtstraum-Elfen.

Die Ports de bras lösen sich heraus aus ihren sechs Schul-Positionen – Balanchine erprobte in seiner französischen Phase schon die Neoklassik. Arme schweben jetzt bei extremem Cambré (Beugung des Rückens) weich in die Musik. Die zarteste, musikalischste Elfe ist Jeanette Kakareka, die möglichst bald in der Ensemble-Leiter aufsteigen sollte.

Prisca Zeisel, die erste „Emeralds“-Dame, ist mit ihrer soliden Technik und ihrem immer strahlenden Lächeln besser aufgehoben in den jazzigen „Rubies“. Hier wird sie allerdings technisch noch übertroffen von der nicht sehr großen, athletisch gebauten Ashley Bouder, die wie ein Kugelblitz durch die rot leuchtende Arena zischt: ein kecker Allegro-Kobold, der fast Osiel Gouneo davonflitzt – und der ist schon ein virtuoser Ballett-Raser.

Die „Rubine“ haben mit ihren Revue-Formationen und Pferdedressur-Hüpfern selbstverständlich Patina angesetzt. „Rock the Ballet“-Choreografen entwerfen heute ein ganz anderes Vokabular. Auch „Diamonds“ muss man lediglich sehen als Balanchines Hommage an seine Anfänge in St. Petersburg. Allerdings transportieren langgliedrige „Reh“-Ballerinen wie Alina Somova, hier gepartnert von ihrem Mariinsky-Kollegen Vladmir Shklyarov, Balanchines Neoklassik von 1967 in die ultrahohe Bein-Technik von heute.

Nächste Vorstellung

von „Jewels“ ist am 21. April. Die Ballettfestwoche läuft bis 18. April; Telefon 089/ 21 85 19 20.

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