Frankfurts Tiroler Filiale

von Redaktion

Bernd Loebe, bald künstlerischer Leiter der Festspiele Erl, stellt seine Pläne vor

VON MARKUS THIEL

Der Neubeginn ist vor allem laut. Ein Kran steht zurzeit hinter dem Festspielhaus, Lkw parken davor, Arbeiter kraxeln an der Fassade. Neun Jahre nach der Eröffnung wird am Festspielhaus Erl schon wieder gewerkelt. Kein Sanierungsfall, der flunderflache Bau wird erweitert. Ein doppelt so großer Lagerraum, neue Technik, mehr Büros, ein verbesserter Backstage-Bereich für Künstler: Zwölf Millionen Euro (immerhin ein Drittel der ursprünglichen Bausumme) lässt Festspiel-Präsident Hans Peter Haselsteiner, Ex-Chef der Baufirma Strabag, dafür springen.

Als man seinerzeit das Haus errichtete, habe man sich nur „einen Passat mit Klimaanlage“ geleistet, keinen Mercedes, wie es Haselsteiner ausdrückt. Nun werde aufgerüstet, ein Jahr soll das alles dauern. Doch eigentlich geht es in Erl, wo Gründer, Dirigent und Ex-Chef Gustav Kuhn über eine #MeToo-Affäre plus angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten stürzte, um den künstlerischen Neuanfang. Für den steht Bernd Loebe, seit 2002 Intendant der Oper Frankfurt und ab September auch künstlerischer Leiter in Erl.

Die Programme des kommenden Erntedank- und des Winterfestivals sind die ersten mit seiner Handschrift. Viele Frankfurt-bekannte Künstler werden künftig auch im Inntal aktiv sein. Roland Böer (Chef in Montepulciano, früher Kapellmeister am Main) dirigiert das traditionelle Weihnachtsoratorium. Florentine Klepper, in Frankfurt gerade mit Smetanas „Dalibor“ aktiv, inszeniert im nächsten Erler Winter Dvořáks „Rusalka“. Kollegin Dorothea Kirschbaum, in Hessen für „Drei Schwestern“ von Eötvös gefeiert, bringt im Januar 2020 Donizettis „Liebestrank“ heraus. Und einmal gastiert sogar das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit seinem Generalmusikdirektor Sebastian Weigle.

Abgesehen von Letzterem geht es Loebe in Erl vor allem um junge, aufstrebende Künstler, ob Dirigenten oder Solisten. Nicht nur, weil sie weniger Geld verlangen, sondern auch, weil der Frankfurter Intendant ein ausnehmend gutes Gespür für Riesentalente hat. Man habe in Erl „schnell den Schalter umgelegt“, sagt Loebe. Über Kuhn möchte er eigentlich nicht sprechen. Und beim Inszenierungsstil wolle man sich „ein bisschen mehr aus dem Schneckenhaus wagen, ohne alles auf den Kopf zu stellen“. Es gibt laut Loebe einige Sänger, die in Erl große Rollen erstmals singen dürfen – weshalb sie sich bei Gagen zurückhaltend zeigten.

Am Festspiel-Orchester, in dem viele Instrumentalisten aus Minsk spielen, wird Loebe festhalten, vom musikalischen Niveau sei er begeistert. Auch beim Erntedank-Festival ist das Ensemble aktiv, an einem Abend mit Stücken von Sibelius und Ljadow, an einem anderen mit Strauss, Marx und Schönberg. Im Zentrum steht aber ein ganzer Klaviertag mit Werken von Chopin. Was zeigt: Auch bei der Komponisten-Auswahl setzt Loebe auf eine vorsichtige Öffnung des Erler Repertoires.

Alles wird dort davon abhängen, ob das Publikum, das zum Teil nur wegen Gustav Kuhn Karten kaufte, Loebes neuen Weg mitzugehen bereit ist. Für die Umgewöhnung konnte ja schon im vergangenen Winter trainiert werden, als Interims-Chef Andreas Leisner ein ambitioniertes, Kuhn-loses Programm verantwortete. Leisner zeigt in diesem Sommer dann unter anderem Verdis „Aida“ und „Die Vögel“ von Braunfels, bevor er seinen Posten räumen muss.

In den künftigen Festspiel-Durchgängen bringt Loebe unter anderem eine Meisterklasse mit dem legendären Tenor Neil Shicoff, die Camerata Salzburg soll ins Inntal geholt werden, und ab 2021 wird Brigitte Fassbaender, die heuer ihren 80. Geburtstag feiert, bekanntlich Wagners „Ring“ inszenieren. Sie freue sich sehr auf dieses Engagement, berichtet der künftige Erler Chef. Außerdem habe man ja etwa im Falle von Harry Kupfer (83) erlebt, wie „ältere Regisseure“ von derartigen Aufgaben profitierten. „Sie brauchen nicht mehr so oft zum Hausarzt zu gehen, wenn sie frischen Wind unter die Achseln bekommen“, wie es Loebe formuliert.

Informationen

zum Programm unter

www.tiroler-festspiele.at.

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