Vorweihnachtszeit ist in den Kunstvereinen landauf, landab Jahresgabenzeit. So auch im Kunstverein München, einer der ersten Institutionen dieser Art. 2023 wird das Projekt, das zwar immer noch am Hofgarten residiert, aber zur Emanzipationsgeschichte des Bürgertums gehört, 200 Jahre alt. Deswegen war der – bald ausscheidende – Direktor Chris Fitzpatrick neugierig auf die Geschichte seines Hauses. Die erforscht seit eineinhalb Jahren Theresa Bauernfeind – und ist bei den Archivalien, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, sogar auf alte Jahresgaben für die damaligen Mitglieder gestoßen: zum Beispiel auf den oben abgebildeten Druck nach dem Blatt „Sonntag in Dachau“ von Hermann Stockmann. Der schildert ein ländliches Idyll mit fröhlichen Menschen in Tracht, wie es die „Staaderer“ gern kauften.
Damals, 1913, sei der erst seit den 1970ern wieder renommierte Kunstverein bereits im Abstieg begriffen gewesen, so Bauernfeind, denn Museen und Galerien leisteten nun das, was ab 1823 der Kunstverein geboten hatte. Es gab wöchentlich (!) wechselnde Ausstellungen, und am Sonntag ging die Münchner Familie in die Messe – und in den Kunstverein. In den 1830er-Jahren sollen sich 6000 Menschen durch die Räume gequetscht haben. Entsprechend viele Mitglieder zählte der Zusammenschluss, der Künstler präsentierte, unterstützte und Kunstvermittlung betrieb. Kunst für jedermann – nicht allein für Adelige und Betuchte. Deswegen auch kostenlose Jahresgaben wie den Dachau-Druck.
Natürlich konnten die Werke gekauft werden. Und diejenigen, die eine Vereinsjury das Jahr über erworben hatte, wurden am Jahresende unter den Mitgliedern verlost. Spielerglück oder -unglück haben die heutigen Kunstvereinler (nur 60 Euro Beitrag) nicht. Sie haben vielmehr eine üppige Wahl. Jetzt decken 80 Künstler mit meist mehreren Werken das Spektrum von Malerei über Skulptur und Fotografie bis hin zu Objektkunst und Zeichnung ab. Bekannte Namen wie Olaf Nicolai und Florian Süssmayr finden sich, interessanter sind aber andere Münchner Künstler. Einige, darunter Vincent Mitzev und Alexander Timtschenko, erzeugen eine irritierende Mixtur aus Malerei, Collage und Fotografie auf der Basis von traditioneller Kunst. Andere feiern die Skurrilitäten unseres Seins: Lea Grebe eine tote Fliege in Bronze, Mari Iwamoto Paprikasamen, die zu Skulpturen zusammenwachsen, oder Susi Gelb einen Wasserfall, den sie mittels Propeller ins Haus holt.
Bis 16. Dezember,
täglich 12-18 Uhr; Galeriestraße 4;
das Dachau-Blatt kann auf Anfrage besichtigt werden.