Eine Preisverleihung kann eine echte Herausforderung für Autoren sein. Vor allem, wenn – wie beim Bayerischen Buchpreis – die Jury auf offener Bühne über die nominierten Werke streitet, während die Schriftsteller im Publikum sitzen und zuhören.
Lustvoll und mitunter mit heftiger Kritik setzten sich gestern Abend in der Münchner Allerheiligen-Hofkirche die drei Juroren mit den Nominierten des Bayerischen Buchpreises auseinander. Sandra Kegel, Literaturredakteurin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“, und Knut Cordsen, Kulturredakteur des Bayerischen Rundfunks, hatten für die Kategorien „Belletristik“ und „Sachbuch“ je ein Werk selbst vorgeschlagen. Jeweils eine halbe Stunde diskutierten sie, dann wurde abgestimmt, wer die mit je 10 000 Euro dotierte Auszeichnung erhält. Die Debatten waren kurzweilig und erhellend, denn sie waren erfrischend deutlich: Da gab’s etwa den Vorwurf, manche Stellen eines Romans seien „nacherzähltes Youtube“. Einem anderen Werk wurde angekreidet, es sei gar keine Literatur, sondern ein „Comic-Roman, der auf Pointen hingeschrieben ist“. Das mag hart für die Betroffenen sein, doch gibt es kaum einen besseren Anreiz, die Bücher selbst zu lesen, als ein kontrovers (aber nie wirklich verletzend) geführter Streit.
Als bester Roman wurde Lucy Frickes „Töchter“ (Rowohlt, 235 S.; 20 Euro) ausgezeichnet, der sich gegen „Archipel“ von Inger-Maria Mahlke und Thomas Klupps „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ durchsetzte. Die Geschichte der Freundinnen Martha und Betty, die mit einem sterbenskranken Vater auf der Rückbank zu einer Fahrt in die Schweiz aufbrechen, sei das „Beste, was ich im vergangenen Jahr gelesen habe: rasant und brillant erzählt“, warb Flaßpöhler für ihren Vorschlag: Die Autorin sei auf dem „Höhepunkt ihres Schaffens“. Kegel und Cordsen zeigten sich zwar irritiert vom „versöhnlichen Ende“ des Buchs. Sie lobten jedoch dessen „unglaubliche Komik und Drastik“ sowie die Ironie, die es auszeichne. Nach der Verleihung sagte Fricke gerührt: „Das ist mein erster Preis seit 13 Jahren.“
Rascher fiel die Entscheidung beim Sachbuch. Hier wurde Wolfram Eilenberger für „Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-1929“ (Klett-Cotta, 431 S.; 25 Euro) geehrt. „Er bringt uns ein entscheidendes Kapitel der Philosophiegeschichte nahe und zeigt zugleich, was das alles mit uns heute zu tun hat“, lobte Cordsen, der das Buch über Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger vorgeschlagen hatte. Ein Kandidat, an dem auch seine Kolleginnen kaum etwas auszusetzen hatten. Flaßpöhler etwa bescheinigte Eilenberger, er habe sein Thema nicht nur intellektuell durchdrungen, sondern sei auch „narrativ auf höchstem Niveau“.
Wie berichtet, ging der Ehrenpreis fürs Lebenswerk an den Österreicher Christoph Ransmayr, der gestern Abend jedoch verhindert war.