Terry Gilliam war der Trickfilmspezialist der Komiker-Truppe Monty Python, ehe er als Regisseur bildgewaltiger Filme wie „12 Monkeys“ berühmt wurde. Beim Münchner Filmfest, wo er heuer den CineMerit Award bekam, sprachen wir mit dem 77-Jährigen über ein Herzensprojekt: die Cervantes-Verfilmung „The Man who killed Don Quixote“, die er nach vielen Anläufen endlich verwirklichen konnte. Am Donnerstag läuft sie an.
-Wie fühlen Sie sich jetzt, nach fast 30 Jahren Mühsal mit Don Quixote?
Unglaublich alt, müde und ausgelaugt. Zeitweise kam ich mir vor wie mein Titelheld, der gegen Windmühlen kämpft. Ich wollte den Film schon „Don Quixote – Mein Kampf“ nennen.
-Warum haben Sie so lange durchgehalten?
Weil ich stur, dumm und unbelehrbar bin. Wenn ich eine Mauer sehe, muss ich mit dem Kopf so lange dagegen hämmern, bis sie zertrümmert ist – oder mein Kopf. Vernünftige Leute haben mir geraten, aufzugeben, und mir vorgehalten, ich hätte in der Zwischenzeit ein halbes Dutzend anderer Filme drehen können. Ich mag aber keine vernünftigen Leute. Wenn man versucht, mir etwas zu verbieten, treibt mich das erst recht dazu an, es zu tun. Ich weiß, das ist eine jämmerliche Ausrede dafür, knapp drei Jahrzehnte meines Lebens vergeudet zu haben.
-War es denn eine Vergeudung – oder wie finden Sie den Film jetzt?
Er ist mir zumindest nicht peinlich. Er handelt von einem Werbespot-Regisseur namens Toby, der feststellt, dass sein vor Jahren gedrehter Film über Don Quixote massive Schäden angerichtet hat.
-Haben Sie eigene Erfahrungen eingefügt?
Mir ging es ähnlich bei meinem Regiedebüt, der Monty-Python-Komödie „Die Ritter der Kokosnuss“. Wir drehten sie in einem schottischen Dorf, wo wir ein komplettes Chaos hinterließen: Mädchen wurden schwanger, Ehen ruiniert und Familien auseinandergerissen, weil die halbe Dorfbevölkerung anschließend mit uns nach London kam, um Karriere im Kinobusiness zu machen.
-Wie Ihre Hauptfigur Toby haben auch Sie Werbefilme gedreht.
Ja, aber ich habe es stets gehasst wie die Pest. Ich musste ein paar Mal aus Geldnot solche Jobs annehmen, schwor mir aber jedes Mal, es nie wieder zu tun. Zuletzt habe ich 2002 einen Spot gedreht, mit dem ich in zehn Tagen mehr Geld verdient habe als sonst in einem ganzen Jahr. Viele talentierte Kollegen erliegen der Versuchung des Mammons und versumpfen als Werbefilmer. Aber ich halte es für völlig sinnlos, Zuschauern vorzugaukeln, dass ein dreilagiges Klopapier ihr Leben verändern würde. Das ist der Unterschied zwischen Toby und Don Quixote: Der eine verkauft Träume, der andere lebt sie.
-Stars wie Brad Pitt oder Johnny Depp haben sich darum gerissen, mit Ihnen zu arbeiten. Trotzdem finden Sie kaum noch Geldgeber für Ihre Filme.
Ja, weil Hollywood heutzutage von Vollidioten regiert wird, die keinen Funken Fantasie besitzen. Mut ist für sie genauso ein Fremdwort wie Kreativität. Hirnlose Bürokraten! Zum Glück gibt es außerhalb von Hollywood noch Mäzene. Ohne sie wäre ich längst aufgeschmissen. Meine Tochter lernte eine steinreiche Frau kennen, die sagte: „Ich möchte unbedingt diesen Don-Quixote-Film sehen!“ Sie hat uns drei Millionen Dollar gegeben und damit das Projekt gerettet.
-Im Film heißt es, man könne das Filmbusiness nur mit Humor überleben.
Ich finde, das gilt fürs Leben allgemein. Es ist mir ein Rätsel, wie manche Menschen ohne Humor durchs Leben gehen können. Schließlich leben wir in einer absurden Welt – wie soll man da nicht ins Lachen verfallen? Wer seinen Humor verliert, kann sich gleich eine Kugel in den Kopf jagen.
-„Always look on the bright Side of Life“ – der Monty-Python-Song ist also auch Ihr Lebensmotto?
Auf keinen Fall! Ich bin der geborene Pessimist, erwarte stets das Schlimmste und bin freudig überrascht, wenn wirklich mal etwas gut läuft. In Interviews spiele ich gern die Rolle des fröhlichen Filmemachers, doch meine Frau kennt mein wahres Ich: Hinter meiner Fassade verbirgt sich ein elender Griesgram.
-Sie sagten einmal, dank des häufigen Scheiterns des Don-Quixote-Projekts sei Ihnen immer etwas geblieben, auf das Sie sich freuen konnten. Fallen Sie nun in ein tiefes Loch?
Tatsächlich bin ich schon hineingefallen, und bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft, wieder herauszukriechen. Zum Glück gibt es einen neuen Lichtblick in meinem Leben: meine Enkeltochter. Sie ist jetzt gut anderthalb Jahre alt, und ich liebe es, ihr beim Aufwachsen zuzusehen. Das habe ich bei meinen eigenen Kindern irgendwie versäumt – damals war ich zu sehr mit meinem Beruf beschäftigt. Jetzt, im dritten Akt meines Lebens, nehme ich solche Dinge intensiver wahr.
-Haben Sie Träume?
Nichts Konkretes. Ich warte noch darauf, dass ich von einer neuen Idee besessen werde. Das Filmemachen ist eine gefährliche Sucht – wenn es dich einmal gepackt hat, lässt es dich nicht mehr los. Was mich stets angetrieben hat, sind Leute, die auf mich zukommen und sagen: „Tausend Dank für Ihren fantastischen Film! Sie haben mir die Augen geöffnet!“ Denn mein größtes Ziel ist es nach wie vor, die Vorstellungskraft der Menschen zu erweitern.
Interview: Marco Schmidt