Die Kunst hat eine neue moderne Heimat in Mannheim. Funkelnd steht Deutschlands derzeit größter Museumsneubau im Licht der Junisonne. Tausende nahmen das 68,3 Millionen Euro teure Sammlungshaus bei freiem Eintritt gleich am ersten Wochenende in Besitz. Doch es geht nicht nur um mehr Platz für die Skulpturen und Bilder. Mit dem Bau will sich die renommierte Institution der 300 000 Einwohner-Stadt neu erfinden.
Die Kunsthalle soll kein Tempel sein, sagt Direktorin Ulrike Lorenz. „Wir sind ein Ort der Debatten.“ Mit spektakulären Ausstellungen will die 1963 im thüringischen Gera geborene Kunsthistorikerin Besucher anlocken. Auf großes Interesse dürfte etwa im Herbst die Schau „Die Konstruktion der Welt: Kunst und Ökonomie“ mit Werken aus den USA und der früheren Sowjetunion stoßen. Angesichts der neuen politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen sind Bilder von der damaligen Konfrontation der Systeme heute wieder brandaktuell. „Wir widmen uns einem äußerst komplexen Thema, nämlich dem Einfluss von ökonomischen Großbewegungen auf Künstler und Kunst in der Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert“, erläutert Lorenz.
Die Zwischenkriegszeit: Hier war Mannheims Kunsthalle erzwungene Heimat für beschlagnahmte oder erpresste Kunst. Das Museum stellt sich dem schmerzhaften Kapitel. Die Sonderschau „Provenienzforschung“ mit verdächtigen Werken aus der NS-Zeit war am Eröffnungswochenende gut besucht. Seit 2011 erforscht das Sammlungshaus die Herkunft der Bilder und Skulpturen. Lückenlos sollen die Besitzerwechsel aller vor 1946 entstandenen Objekte geklärt werden. Bei mehreren Werken besteht Verdacht auf Raubkunst, sie wurden bereits dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gemeldet.
Zur Eröffnung nach dreijähriger Bauzeit zeigt die Halle auch eine Sonderschau des kanadischen Fotografen Jeff Wall. Die meisten Blicke zieht aber die Architektur an. Der Entwurf des Neubaus spielt auf die quadratische Stadtstruktur von Mannheim an. Wie Häuser um einen Marktplatz gruppieren sich sieben Ausstellungsräume um das Atrium. Eine Treppe mit breitem Holzrahmen führt in die erste Etage. Dort gibt ein Fenster einen Panoramablick frei auf den Wasserturm.
Überhaupt die Fenster: auf der einen Seite Mannheims Wahrzeichen, eben jener Wasserturm, auf der anderen Seite der rote Sandstein des Muttergebäudes. Dazu die Architektur mit Brücken, Treppengassen und dem riesigen Atrium: Für die Gemälde und Skulpturen dürfte es nicht leicht werden, gegen die Attraktionen des Gebäudes anzukommen. Die Initialzündung für das Projekt kam vom Mäzen Hans-Werner Hector. Der gebürtige Pfälzer spendete 50 Millionen Euro.
Unter dem Glasdach hängt die Installation „Sefiroth“ von Anselm Kiefer, mit fast drei Tonnen das schwerste Werk des Museums. In Mannheim ist eine der größten Privatsammlungen von Kiefers Werken zu besichtigen. Zudem hat die Kollektion des Duisburger Bau-Unternehmers Hans Grothe eine neue Heimat gefunden: Spannungsvolle Kontraste zu Meisterwerken wie Édouard Manets „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ oder dem schreienden Papst von Francis Bacon sind also vorprogrammiert.