Berühmt wurde Greta Gerwig als Schauspielerin in Filmen wie „Frances Ha“, „To Rome with Love“ und „Jahrhundertfrauen“. Nun war die 34-Jährige als Drehbuchautorin und Regisseurin für den Oscar nominiert: für ihr Regiedebüt „Lady Bird“, eine Coming-of-Age-Geschichte, die am Donnerstag in den Kinos anläuft und heuer den Golden Globe für die beste Komödie des Jahres gewann.
-Im Zentrum von „Lady Bird“ steht die komplizierte Beziehung zwischen der 17-jährigen Titelheldin und ihrer Mutter. Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer eigenen Mutter?
Ein gutes. Es war nicht immer einfach. Aber ich glaube, das ist es nirgendwo. Die meisten Mädchen in meinem Umfeld hatten als Teenager ein sehr komplexes Verhältnis zu ihren Müttern. Es hat mich immer geärgert, dass Mütter in Filmen meist entweder als Monster oder als Engel dargestellt werden. Ich hingegen wollte das ehrliche Porträt einer Frau zeichnen, die ihre Tochter liebt und versucht, ihr Bestes zu geben, dabei aber Fehler macht – wie wir alle. Die Beziehung zwischen Lady Bird und ihrer Mutter ist für mich die zentrale Liebesgeschichte des Films.
-Sie sind wie Lady Bird in Sacramento aufgewachsen und dort auf eine katholische Mädchenschule gegangen. Inwieweit ist Ihr Film autobiografisch?
Das Umfeld entspricht schon sehr dem meiner eigenen Jugend. Aber die Titelfigur ist das komplette Gegenteil von dem Menschen, der ich mit 17 war. Ich habe mir nie die Haare rot gefärbt, mir keinen anderen Namen gegeben und die Führerscheinprüfung im ersten Versuch bestanden. Ich habe keine Regeln gebrochen und mich stets bemüht, es allen recht zu machen. Ich wünschte, ich wäre damals so mutig und selbstbewusst gewesen wie Lady Bird! Das Schreiben des Drehbuchs gab mir die Möglichkeit zu erforschen, was ich für ein Teenager hätte sein können. Lady Bird ist also eine Art Wunschvorstellung von mir.
-Sie waren Mitte der 2000er-Jahre eine Schlüsselfigur der „Mumblecore“- Bewegung um Filmemacher wie Joe Swanberg und die Duplass-Brüder, die mit Handkameras improvisierte Low-Budget-Filme gedreht haben. Inwieweit kamen Ihnen die damaligen Erfahrungen nun bei Ihrem Regiedebüt zugute?
Sie waren insofern hilfreich, als damals jeder von uns jede einzelne Aufgabe beim Filmemachen übernehmen musste, weil wir kein Geld hatten, andere Leute anzuheuern. Das heißt, wir haben buchstäblich in der Praxis gelernt, wie man einen Film bastelt: welche Kameraeinstellungen man braucht, wie man die diversen Komponenten zusammenfügt, was im Kino funktioniert und was nicht. Das waren extrem nützliche Erfahrungen. Aber von einigen Dingen, die wir damals getrieben haben, bin ich inzwischen wieder abgekommen.
-Zum Beispiel?
Von verwackelten Handkamera-Aufnahmen – mittlerweile weiß ich sorgfältig komponierte Kameraeinstellungen zu schätzen. Und auch von Improvisationen habe ich mich völlig verabschiedet. Ich liebe gut geschriebene, präzise Dialoge – das kommt wohl von meiner Leidenschaft fürs Theater. Deshalb bestehe ich auch darauf, dass sich die Schauspieler exakt an die Worte im Drehbuch halten. Immerhin habe ich sehr lange daran gefeilt.
-Das heißt, Sie lassen Ihren Schauspielern wenig Freiheiten?
O doch, ich gebe ihnen genügend Raum, ihre Figuren zu gestalten. Ich bestehe auf ausgiebigen Proben, in denen man genügend Zeit hat, verschiedene Dinge auszuprobieren. Da bin ich auch offen für Vorschläge. Aber am Set ist die Zeit extrem knapp bemessen – da bleibt einfach kein Platz mehr für Improvisationen oder sonstige Experimente. Und dann weiß ich auch exakt, worauf ich hinauswill.
-Sie wirken extrem ruhig und höflich. Gibt es trotzdem etwas, das Sie auf die Palme bringt? Verwandeln Sie sich manchmal am Set in einen herumschreienden Diktator?
Ich habe als Schauspielerin so viele verschiedene Filmsets erlebt, dass ich genau weiß, was mich wütend macht. Also habe ich versucht, diese Dinge von vornherein zu vermeiden – zum einen, indem ich nur Leute engagiert habe, mit denen ich gern 14 Stunden pro Tag zusammen sein wollte, und zum anderen, indem ich gewisse Grundregeln aufgestellt habe, die in meinen Augen die Basis für eine gesunde Arbeitsatmosphäre schaffen. Zum Beispiel gab es bei mir am Set für alle Beteiligten ein striktes Handy-Verbot. Denn ich habe am eigenen Leib erlebt, wie sehr es dich als Schauspieler irritiert, wenn du eine Szene spielen musst und neben dir jemand ständig auf seinem Smartphone herumwischt. Wenn Sie solche Sachen im Vorfeld geklärt haben, dann müssen Sie am Set auch nicht mehr herumbrüllen.
-Haben Sie nun Regie-Blut geleckt?
Ja. Nirgends habe ich mich je so am richtigen Platz gefühlt wie als Regisseurin am Filmset – da wachse ich irgendwie über mich hinaus. Ich habe definitiv vor, weiter Drehbücher zu schreiben und Regie zu führen. Aber nachdem das eine so zeitraubende Sache ist, werde ich zwischendurch sicher auch wieder als Schauspielerin arbeiten. Mein Plan ist es, mehrgleisig zu fahren und im Filmbusiness langsam alt zu werden, bis aus mir eines Tages eine Art weiblicher Clint Eastwood wird. (Lacht.)
Das Gespräch führte Marco Schmidt.