Santiano,
Olympiahalle
Was sich Weltstars oft eine Stunde lang erarbeiten müssen, bekommt Santiano in München mal locker beim zweiten Song: Fünf Minuten springen sie über ihre Bühne (natürlich ein Schiff), da reißen die 7000 in der Olympiahalle das erste Mal die Hände nach oben und hören zwei Stunden lang nicht mehr auf.
Santiano spielt unter, auf und über dem Meer, eine riesige LED-Wand macht’s möglich. In meerblauem Licht geht’s los, mit reichlich Pyrotechnik weiter und mit Nordlichtern am Himmel zu Ende. Kinder drücken den Musikern Briefe in die Hand, während langbärtige Ehemänner in Santiano-Fanshirts Smartphones schwenken und Mittsechziger in Gothic-Klamotten zu Headbangern werden. „Gott muss ein Seemann sein“, „Könnt ihr mich hören“, „Land of Green“ – die Fans lieben das Projekt vom Reißbrett. Berufsmusiker, die immer wieder vom Whiskey und dem Fernweh singen und dabei die Musikgenres wild mischen: Irish Folk, Schlager und Seemannsgarn, dazu hämmernder Bass und die omnipräsente Geige. Santiano gönnt sich und dem Publikum keine Pause, kein Durchschnaufen, sie sind immerzu männlich und laut. Echte Seefahrer-Romantik kommt erst bei der Zugabe auf, als sie die Hits spielen, durch die sie großgeworden sind.
Manchmal stimmt nicht jeder Ton und es holpert im Ablauf, etwa als die Band vom Jubellied „Bis ans Ende der Welt“ zum Thema Tod und Beerdigung springt. Aber das Publikum verzeiht ihren Seebären alles, hat ja gar keine Zeit zum Nachdenken. „Wollt ihr mit auf Kaperfahrt? Dann hoch die Flossen!“ Sebastian Dorn