Kanalisierte Energie

von Redaktion

Vladimir Jurowski, der künftige Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, leitete das London Philharmonic Orchestra im Gasteig

Das Timing hätte kaum besser sein können. Ziert Vladimir Jurowski aktuell doch nicht nur den Titel eines im Gasteig ausliegenden Klassik-Magazins, sondern wurde gerade auch als neuer Hoffnungsträger der Staatsoper angekündigt. So lockte der russische Maestro wohl mehr als einen kurzentschlossenen Musikfan an die Abendkasse. Angesichts dessen, was Jurowski in der bis unters Dach gut gefüllten Philharmonie mit dem London Philharmonic Orchestra präsentierte, lässt sich optimistisch in die Zukunft blicken – vor allem, was die Programmauswahl betrifft. War doch Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 – das Solist Daniil Trifonov mit flinken Fingern technisch exakt und in den schnelleren Passagen beinahe manisch in Szene setzte – doch mit „Le baiser de la fée“ einer jener Repertoire-Außenseiter gegenübergestellt, für die sich Jurowski immer wieder stark macht. Von Igor Strawinsky als Tschaikowsky-Hommage angelegt, gelang dem Dirigenten mit diesem Werk der erstaunliche Balanceakt, beiden Komponisten gerecht zu werden. Wobei neben den klanglichen Schattierungen, mit denen er den einzelnen Teilen Profil verlieh, vor allem der sensible Umgang mit den Bläserstimmen erwähnt werden muss, die sich glänzend präsentierten. Auch der Dirigent wirkte entspannter als vor der Pause, als sich so manches Forte zum beinahe brutalen Fortissimo gewandelt hatte. Was auch daran gelegen haben mag, dass Jurowski und Trifonov mit ihren recht unterschiedlichen Temperamenten miteinander nicht immer ganz kompatibel schienen. Gleichzeitig wussten beide, die aus diesen Reibungen entstandenen Energien geschickt zu kanalisieren. tobias Hell

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