Fiesta Mexicana

von Redaktion

Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung galt das Motto „Weg mit Mauern“ – eine indirekte Spitze gegen Donald Trump

Von Katja Kraft

Diese Frau hat was zu sagen. Frances McDormand, bei deren Beschreibung gern zuerst der Zusatz fällt: „Frau von Joel Coen“. Klar ist sie das. Doch steckt in dieser nur 1,65 Meter großen charakterlichen Riesin so viel mehr. Seit die heute 60-Jährige 1997 für ihren phänomenalen Auftritt in „Fargo“ den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gewann, hat sie das mehr als einmal bewiesen. Damals dankte sie den Produzenten, dass sie es Schauspielerinnen wie ihr ermöglichten, solch „komplexe weibliche Rollen“ spielen zu können. Elf Jahre später steht sie wieder auf der Bühne des Dolby Theatres in Los Angeles. Und behauptet sie auch, gleich zu hyperventilieren (denn, hey!, auch eine starke Frau wie sie kann ein zweiter Oscar-Gewinn schon mal umhauen), hat sie doch eine Bitte: „Sollte ich fallen, helft mir hoch, denn ich hab’ was zu sagen.“ Was folgt, ist der berührendste, weil so unaufgesetzte Moment dieses allzu oft vor Pathos triefenden Abends (siehe Kommentar).

„Ich würde mir wünschen, dass alle weiblichen Nominierten sich erheben“, spricht McDormand ins Mikro und an Meryl Streep gewandt: „Meryl, wenn du mitmachst, werden es dir alle nachtun!“ Schon steht Streep, die Lady in Red, auf, dreht sich zu den anderen im Saal um, reckt die Daumen in die Höhe. Und McDormand quietscht, wie man nur vor Freude quietschen kann, als eine Dame nach der anderen dem Beispiel der ungekrönten Hollywood-Königin folgt.

Die Entwicklung, die zwischen Dankesrede eins und Dankesrede zwei liegt, zeigt, dass sich Hollywood und damit die Gesellschaft an sich auf einem guten Weg befinden. Heute gilt es nicht mehr, Dank zu sagen dafür, dass man im männerdominierten Filmbetrieb nicht bloß das brave Hascherl spielen darf. Heute unterstreichen Frauen selbstbewusst, dass sie selbst es sind, die spannende Geschichten erzählen können.

„Liebe Produzenten, lasst uns nicht heute an der Bar darüber sprechen. Ladet uns in euer Büro ein oder kommt in unsere Büros – dann reden wir über all unsere Ideen“, formuliert es McDormand. Und nicht nur die Damen schmelzen dahin. „Mein Gott, ich wünschte, ich wäre eine Frau“, schmachtet Jimmy Kimmel.

Es ist eine der wenigen Witzeleien des Moderators. „Die Welt schaut auf uns, wir müssen ein Exempel statuieren“, hatte er anfangs verkündet. Vielleicht ist das der Grund, warum er nicht wie im Jahr zuvor das ganz große Pointen-Feuerwerk zündet. Zu wichtig die Botschaften, die sie alle in die Welt hinaussenden wollen? Denn es geht ja nicht nur um #MeToo. Sondern um die Unterstützung aller, die sich diskriminiert, übervorteilt fühlen. Das Motto des Abends: Es lebe die Vielfalt!

Vor zwei Jahren boykottierten viele schwarze Schauspieler die Oscars, weil kein Dunkelhäutiger unter den Nominierten war. Wer hätte damals gedacht, dass 2018 mit „Black Panther“ ein kommerziell höchst erfolgreicher Actionkracher in die Kinos kommt, in dem die Helden nicht weiß wie Super- oder Spiderman sind, sondern allesamt schwarz? Kumail Nanjiani, pakistanischstämmiger Autor von „The Big Sick“, freut sich: „Früher habe ich über Komödien gelacht, in denen weiße Typen schräge Sachen machen. Jetzt können weiße Zuschauer mir dabei zuschauen. Hey, aus Erfahrung weiß ich: Das ist gar nicht so schwer!“ Oder „Wonder Woman“, da ist eine Frau die Heldin, die sich zur Abwechslung mal um mehr sorgt als um die perfekte Frisur, das perfektes Make-up, den perfekten Mann.

Direkte Spitzen gegen Donald Trump gibt’s diesmal nicht, dafür umso mehr indirekte, wenn etwa Preisträger wie Guillermo del Toro betonen, dass sie einst Einwanderer waren. Er noch dazu aus dem Trump so verhassten Mexiko. Mit „Coco“ gewinnt ein Animationsfilm, der gar in dem Nachbarland der USA spielt. Regisseur Lee Unkrich dankt denn auch gerührt den Mexikanern, ohne deren reiche Kultur es den Film nicht geben würde. Und der zwölfjährige Anthony Gonzalez, der in „Coco“ die Hauptrolle spricht? Ruft strahlend: „¡Viva México!“ In diesem Sinne wird die Party danach eine Fiesta Mexicana, weil, das wissen wir seit Dieter Thomas Kuhn, nur das bunte Leben die Liebe zu uns bringt.

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