Ob er in der Nacht überhaupt geschlafen hat? Wenig, schließlich wurde in Bregenz gefeiert. Dennoch ist Anton Nachbaur-Sturm am Samstag um sechs in der Früh auf den Beinen gewesen, um pünktlich in München zu sein. Am Abend zuvor hatte er gegen 19 Uhr erfahren, dass sein Büro, das er 1996 mit Andreas Cukrowicz gegründet hat, den ersten Preis im Architekturwettbewerb für das neue Münchner Konzerthaus im Werksviertel gewonnen hat. Bei 25 Preisrichtern gab es nur eine Gegenstimme (wir berichteten). Um 11 Uhr am Samstag sitzt der 1965 in Bludenz (Vorarlberg) geborene Architekt in der Münchner Musikhochschule: etwas müde, aber glücklich. „Es geht mir jetzt, ein paar Stunden später, immer noch so, dass ich mir schwertue, die richtigen Worte zu finden.“
Neben ihm sitzt Joachim Herrmann. Bayerns Innen- und Bauminister erinnert nochmals daran, wie vielfältig die Aufgabenstellung im Wettbewerb gewesen sei – schließlich geht es darum, einen „Konzertsaal von Weltklasse-Spitzenniveau“ zu realisieren. Die besondere Herausforderung im Werksviertel sei obendrein, den Neubau in ein Areal zu integrieren, das am Anfang der städtebaulichen Entwicklung stehe. Zudem sei immer klar gewesen: „Entwürfe, die nicht die Erwartungen der Musiker erfüllen, können nicht auf den ersten Platz kommen.“
Denn das neue Konzerthaus soll Heimat des BR-Symphonieorchesters werden und auch von privaten Veranstaltern sowie der Musikhochschule genutzt werden. Mariss Jansons, Chefdirigent der BR-Symphoniker, der nicht an den zweitägigen Beratungen des Preisgerichts teilnehmen konnte, weil er zu Konzerten in Amsterdam ist, ließ mitteilen, wie froh er sei, dass ein „vielversprechendes Modell“ gewonnen habe.
Der Siegerentwurf sieht vor, dass beide Säle (für gut 600 und gut 1800 Personen) unter einem Dach in einem homogenen Gebäudekörper übereinander gebaut werden. Ein markanter Unterschied etwa zum zweitplatzierten Modell der Hamburger PFP Architekten, die auf die Heterogenität des Viertels mit einem heterogenen Bau reagiert haben. Nachbaur-Sturm und seine Kollegen setzen der vielfältigen Architektur des Werksviertels einen Ruhepol entgegen, der sich an den industriellen Speicherbauten des einstigen Pfanni-Areals orientiert und für „das ganze Quartier eine Mitte schaffen soll“, wie der Architekt erklärt. „Wir bauen einen Klangspeicher, eine Kathedrale, einen Musiktempel.“
Die Österreicher haben den „Fußabdruck des Gebäudes“ bewusst möglichst klein gehalten, da die Umgebung wenig Platz lasse. So soll sich das Konzerthaus auf acht Ebenen 45 Meter in die Höhe erstrecken. Der Kleine Saal (rund 700 Quadratmeter) ist ebenerdig, der Große Saal (rund 1725 Quadratmeter) liegt auf Ebene 3. Auf Wunsch der befragten Musiker ist dieser prinzipiell als Rechtecksaal geplant, maximal 20 Prozent der Zuhörer sitzen hinter der Bühne. Die Fassade verjüngt sich leicht nach oben und ist unterschiedlich transparent verglast. So wollen die Architekten erreichen, dass sich gerade nachts das Innenleben nach draußen spiegelt. Der Sockel mit Zugängen zum Foyer, zu Cafés und Geschäften ist als „robuste und wartungsarme Stahlbetonkonstruktion“ gedacht.
Was der Bau kosten wird, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Arno Lederer, Vorsitzender des Preisgerichts, warnt vor dem „Fluch der ersten Zahl“ bevor es eine „belegbare Planung“ gebe. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle nennt 300 Millionen Euro als Orientierungsgröße. Nachbaur-Sturm und sein Team steigen jetzt in die Detailplanung ein, parallel bereitet das Staatliche Bauamt München 1, das für das Projekt verantwortlich ist, Ausschreibungen etwa zur Akustik und Gebäudetechnik vor. Läuft alles nach Plan, sagt Joachim Herrmann, sollen im „Frühsommer 2018“ die Bagger anrollen. » Kommentar S. 2