Ein Mann ab der 44. Minute

von Redaktion

Starbulls-Statistik Chase Witala erzielte seine fünf Tore ab dem letzten Drittel

Rosenheim – Seltsam, wie 19 Jahre vergehen können und sich fast nichts ändert. Am 9. April 2000 standen sich die Essen Moskitos und die Starbulls Rosenheim zum letzten Mal auf dem Eis gegenüber (damals in Essen), und die Starbulls siegten 3:2 nach Penalty-Schießen. Derek Cormier und Jean-Francois Quintin hatten für die Starbulls getroffen, Niklas Brännström als einziger von zehn Schützen seinen Penalty verwandelt. Wäre der 3:2-Sieg letzten Freitag ein normales Punktspiel gewesen, wäre es auch dabei zum Penalty-Shootout gekommen, denn der entscheidende Treffer fiel erst in der 77. Spielminute. Noch eine Parallele: klare Siege. Das letzte Spiel gegen die Moskitos in Rosenheim am 21. März 2000 endete 8:2 für die Starbulls (Torschützen: Teemu Sillanpää 2, Gord Sherven, Quintin, Kari Haakana, Curtis Fry, Cormier und Bernd „Bobo“ Kühnhauser). Das Sonntagspiel in Essen gewannen die Rosenheimer zwar nicht ganz so hoch, aber es war eine klare Sache. Und heute, Dienstag, 19.30 Uhr, geht es im Emilo-Stadion bereits weiter: Mit einem Sieg in Spiel drei könnten die Starbulls die Serie bereits beenden und ins Viertelfinale einziehen.

Man musste sich wirklich die Augen reiben, um wie viel höher die Intensität jetzt im Play-off ist als in den gar nicht mal so schlechten Heimspielen der letzten Wochen! Tempo, Konzentration, Kombinationsspiel, Einsatz: Alles top außer – der Chancenverwertung! Allein das zweite Drittel: 22:6 Schüsse, 0:1 Tore gegen einen zugegeben „überirdisch“ haltenden Patrik Cerveny. Und es schien tatsächlich so, als sollte trotz aller begeisternden Spielzüge wieder einmal die „Torschusspanik“ zuschlagen. 118 Minuten (minus eine Sekunde) hatte es gedauert, zuvor gegen Höchstadt und Landshut, dann bis zur 53. Minute gegen die Moskitos, bis endlich die „Lebensversicherung“ namens Chase Witala eingriff. Diesmal brauchte der Kanadier zwar ungewöhnlich lang für seinen Hattrick, nämlich 25:43 Minuten (zur Erinnerung: Gegen Höchstadt schoss er kürzlich drei Tore in dreieinhalb Minuten), dafür war es diesmal wesentlich wichtiger. Und einmal auf den Geschmack gekommen, machte er zwei Tage später in Essen mit dem 4:1 und 5:1 den Sack wieder zu. Interessant: Alle fünf Tore dieses Wochenendes schoss er nach der 44. Minute. Und die beiden letzten Tore fielen in Überzahl!

Willenskraft und die bessere Kondition

Dabei war das Powerplay von der Ausbeute zuletzt nicht optimal. Seit dem letzten Powerplaytreffer (Alexander Höller gegen die Alligators) hatten Koflers Jungs gegen Höchstadt, Landshut und Essen 16 Überzahlphasen mit einer Gesamtdauer von über 30 Minuten vergeben, ehe es durch Witala dann gleich zweimal klappte. Kurios: Zählt man die Überzahlbilanzen aus beiden Spielen zusammen (die Moskitos trafen in jeder Partie einmal), so sind sie fast exakt gleich: Jeweils zwei Tore aus zehn Phasen, wobei die Starbulls acht Sekunden länger brauchten als der Gegner.

Dass es zur entscheidenden Phase auch mental wieder stimmt, zeigt die Reaktion auf den erneuten Führungstreffer der Essener kurz vor Schluss. Die Situation, nach endlosem vergeblichen Anrennen endlich den Ausgleich erzielt, vier Minuten später (und auch vier Minuten vor Schluss) der erneute Rückschlag – das hatte schon alle Merkmale eines „Genickbrechers“. Trotzdem rettete man sich durch pure Willenskraft und, wie es Manuel Kofler formulierte „in beiden Spielen durch die bessere Kondition“, in die Overtime, wobei man auch dort die schlechteren Karten zu haben schien. Essen hatte in der Punkterunde von fünf Verlängerungen drei gewonnen, die Starbulls von neun nur zwei. Aber man überstand auch eine Strafzeit während der Overtime schadlos (solche Strafzeiten hatten diese Saison bereits mehrmals den Zusatzpunkt gekostet) und konnte endlich, gut drei Minuten vor dem anstehenden Penalty-Schießen, schließlich jubeln.

Auswärtsführung: Sieg wahrscheinlich

Dass man das Heimspiel nach dem 0:1-Rückstand noch drehen konnte, war statistisch gesehen nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Sechsmal hatte in den Spielen der Südrunde der Gegner in Rosenheim den ersten Treffer erzielt, und nur zweimal waren die Starbulls dennoch als Sieger vom Eis gegangen. Auch am Sonntag in Essen gelang das erste Tor dem Gast, und diesmal bestätigte sich eher der Trend. Von 13 Begegnungen, in denen die Starbulls auswärts die 1:0-Führung innehatten, konnten sie auch neunmal die volle Punktzahl einfangen.

Bleibt zu hoffen, dass man bei den Starbulls nicht abergläubisch ist, denn sonst könnte der Auftaktsieg vom Freitag unliebsame Erinnerungen wecken. Vor zwei Jahren begann das Play-down der DEL2 mit einem ähnlichen Overtime-Sieg gegen Heilbronn (Joonas Valkonen in der 76. Minute), dem fünf Tage später im nächsten Heimspiel ein weiterer folgte (Tyler Scofield in der 80. Minute). Trotzdem ging die Serie gegen Heilbronn schließlich verloren, ebenso wie die alles entscheidende gegen Crimmitschau. Aber es muss sich ja nicht alles wiederholen, und manches ändert sich ja doch…

Drei Gegentore in zwei Spielen – das ist Play-off-Eishockey

Ein Rezept für eine erfolgreiche Play-off-Serie: Wenig Gegentore und daran halten sich die Rosenheimer Eishockeyspieler bisher. Zwei Treffer im Heimspiel und nur einen beim Spiel in Essen ließ Torhüter Lukas Steinhauer zu – so kann man Spiele gewinnen.

Gelingt es auch heute, Dienstag, 19.30 Uhr, im dritten Aufeinandertreffen im Rosenheimer Eisstadion hinten sicher zu stehen, dürfte einem frühzeitigen Einzug ins Viertelfinale nichts im Weg stehen. Auch deshalb weil Rosenheim mit der Rückkehr von Michael Fröhlich wieder variabler spielt und gefährlicher ist. Bestes Beispiel: Zwei Überzahltore in Essen durch Chase Witala und zweimal war Fröhlich unter den Wegbereitern. Außerdem traf Fröhlich, der nach seinem Kniescheibenbruch schnell wieder auf einem sehr guten Niveau trotz langer Verletzungspause spielt, zum 1:0.

Sein Sturmkollege Robin Slanina, der zu Beginn der Saison noch für die Essener stürmte, erzielte an alter Wirkungsstätte ebenfalls ein Tor.

Für den verletzten Fabian Zick, dessen Einsatz fraglich ist, sprang in Essen der vorher für ein Spiel gesperrte Enrico Henriquez ein und erhielt vom Coach Manuel Kofler ein Lob: „Es hat Spaß gemacht, wie er gespielt hat.“

Kofler ließ wieder mit vier kompletten Reihen spielen, die mächtig Dampf machten und auch für die notwendige Entlastung für die im zweiten Drittel wegen der vielen Strafzeiten überstrapazierten Unterzahlspezialisten sorgten.

„Wir führen 2:0 und wir wollen am Dienstag zu Hause den Sack zumachen. Deshalb haben wir uns sofort nach dem Spiel in Essen so professionell wie möglich auf Spiel drei vorbereitet“, erklärte Manuel Kofler noch am Sonntagabend und schob nach: „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Das war vor allem im letzten Drittel perfektes Play-off-Eishockey.“ bz

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