Rosenheim – Wieder einmal gab es internationales Jazz-Flair im Rosenheimer Musikclub „Le Pirate“: Beim von Schlagzeugdozent Michael Keul initiierten dreitägigen Jazzfestival machten die Lokalmatadoren der „Old Stack O´Lee Band“ den Anfang und sorgten im rappelvollen Lokal für einen gelungenen Einstieg. Bereits 47 Jahre gibt es die Jazzband – genau so lange wie das „Le Pirate“. In der Besetzung Wally Fladerer (Klarinette, Altsaxofon), Charly Sareiter (Posaune), Richard Prechtl (Trompete), Hans Kohlbrenner (Bass), Johannes Freyberger (Piano) und Peter Miesbeck (Schlagzeug) interpretierte die Band Stücke von Louis Armstrong, Duke Ellington und Count Basie.
Moore spielt „höchst
erfreulichen“ Post-Bop
Am zweiten Tag gab sich der aus London stammende und in den USA lebende Saxofonist Ralph Moore die Ehre. Moore konzertierte noch mit den Legenden Dizzy Gillespie, Horace Silver und Freddie Hubbard, war als Begleiter unter anderem von Dusko Goykovich an vielen namhaften Produktionen beteiligt. Seinen Stil bezeichnet der „Rough Guide Jazz“ als „hochstehenden, höchst erfreulichen Post-Bop“ und als „bestechend kraftvoll“.
Es ging gleich in die Vollen mit „This side of view“, einem Titel von Hank Mobley, und die bestens eingespielte Band legte im Up-Tempo los. Fliegende Übergabe vom Saxofon ans Piano mit förmlich fliegenden Händen (André Weiß) mit temperamentvollem, zum Boogie-Woogie tendierenden Lauf, zum erdigen Bass (Jens Loh) und zum feurigen Schlagzeug-Solo. Quasi einmal die Reihe rum und die Gäste waren von Beginn an im Jazzfieber.
Die „Soul Station“ bot einen ruhigeren Duktus, es entwickelte sich eine kraftvolle und bluesige Phase, in der die Rhythmusgruppe ohne den pausierenden Ralph Moore auftrumpfte. Dafür leitete der Bandleader in überzeugender Manier „Edda“ ein, und Obi Jenne zündete ein kleines Zwischenfeuerwerk an Drums und Becken, dem er im folgenden „the kicker“ einige energische Ausbrüche folgen ließ. In einer geschickt aufgebauten Dramaturgie warf die Band das Publikum zwischen populäreren Klängen wie Irving Berlins swingendem „Remember“ und raffinierten Kompositionen wie dem „Public Eye“ von Ray Hargrove hin und her.
Eine Überraschung war der erst 25-jährige André Weiß am Piano, der immer wieder rasante, federleichte und hochklassige Läufe beisteuerte – von ihm dürfte man in der Musikszene noch einiges hören. Höhepunkt des Auftritts war der Titel „Bolivia“ von Cedar Walton, ein Klassiker mit einprägsamem Thema und enorm treibendem Rhythmus – nicht nur hierfür gab es vom enthusiastischen Publikum riesigen Applaus.
Den Schlusspunkt des Jazzfestivals setzte einmal mehr das „Samerberger Jazzensemble“, das Bandleader Michael Keul diesmal als Oktett konzipiert hatte. Auf der kleinen Bühne tummelten sich daher die drei Jazzdozenten Keul (Drums), Florian Trübsbach (Altsaxofon) und der Leiter des Münchner Jazzinstituts Peter Reichstaller an Trompete und Flügelhorn. Fünf ihrer Studenten durften im „Jazzwohnzimmer“ auftreten: Theo Kollrigste (Piano), Maxim Frischmann (Saxofon), Roman Fritsch (Baritonsaxofon), Vincent Rein (Bass) und Matthias Zeidlhofer (Posaune). Der mächtige Bläsersatz erzielte im kleinen Raum nahezu Big-Band-Wirkung, und mit „Take your pick“ von Hank Mobley und Freddie Hubbards „Skydive“ gelangen zwei echte Highlights mit feinen Wechseln zwischen Unisono-Einsätzen des kompletten Gebläses und edlen Soli.
Bolivia in einer zweiten Version
Reichstaller, einer der profiliertesten Jazztrompeter Europas sowie Keul und Trübsbach agierten dabei auf hohem Niveau und ernteten immer wieder Applaus. Doch auch die Studenten konnten sich auszeichnen. Das famose Stück „Bolivia!“ gab es nach der Version Ralph Moores gleich noch einmal – jetzt in der Version des Oktetts, ebenfalls große Klasse.
Die Samerberger überzeugten mit unterhaltsamem Programm und teils selten gehörten „Jazz-Perlen“ unbekannterer Komponisten wie dem „Bluesdance“ von Al Cobine oder „Once forgotten“, einem feinen Bossa Nova aus der Feder Pamela Watsons.