Rosenheim – Sollen gleichlautende Ortsnamen in einer Region voneinander unterschieden werden, gibt es einige Möglichkeiten: Zum Höhenunterschied etwa wie im Falle von Ober- und Niederaudorf, zur Größe wie bei Groß- und Kleinholzhausen, zum Alter der Orte wie bei Alten- und Neubeuern, zur Himmelsrichtung wie bei Westernach und Osternach.
Im Dialekt wird gelegentlich auf eines der Merkmale verzichtet. So heißt es zwar „Gloahoizhausn“, aber nicht „Groußhoizhausn“, sondern bloß „Hoizhausn“. Ähnlich im Falle von „Niederaudorf“ und – bloß – „Audorf“.
Das könnte auch für bei den beiden Orten unserer Region gelten, die mit dem Grundwort „Pfunzen“ ausgestattet sind: „Pfunzen“ und „Leonhardspfunzen“. Oder: „Pfunzen“ und „Langenpfunzen“? Was stimmt da nun? Auf Nachfrage erhalten wir Auskunft von Annette Hackl, einer sehr sprachkompetenten Mitarbeiterin der Gemeinde Stephanskirchen, in der Leonhardspfunzen liegt. „Leachadspfunzn? Naa. Leonhardspfunzn? Aa ned. Dee Leit do song grod ‚Pfunzn‘, sonst nix!“ Bestätigt wird die Annette von OVB-Redakteurin Eva-Maria Gruber aus dem nahen Deutelhausen stammend, die den „Pfunzn“-Ort am Westufer des Inn als „Langapfunzn“ ausspricht. Also im Dialekt: Pfunzn und Langenpfunzn, offiziell aber Leonhards- und Langenpfunzen.
Allerdings: Die Namensgebung nach dem hl. Leonhard ist durch den Namen der Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard zwar plausibel erklärt. Aber wäre hier nicht auch eine noch näher liegende Variante zur Verfügung gestanden? Neben „Langen“pfunzen nämlich „Kurzen“pfunzen? Dank des bekannten präzisen Quellenstudiums des Ortsnamenforschers Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein haben wir aus dessen „Lexikon Bayerischer Ortsnamen“ Kenntnis von der Schreibung „Khurtzen Pfuntzen“, die aus dem Jahre 1586 in der Urkunde „Kurbayern: Geheimes Landesarchiv, Nr. 1172, fol. 350“ stammt. Da aber bereits 1424 die Schreibung „Leonhardspfuntzen“ vorlag, blieben die Bewohner von „Pfunzn“ wohl von der „Kürze“ im Namen verschont. In Langenpfunzen dagegen hat es wohl nie einen Grund gegeben, sich über das Bestimmungswort im Ortsnamen, das die längliche Ausdehnung des Ortes schildert, zu beschweren.
Die Namen der heutigen Orte Langen- und Leonhardspfunzen erklären wir mittels der alten Schreibungen aus dem 9. und 10. Jahrhundert – jeweils „Phunzina“ – als „Brückenorte“. Zugrunde liegt ein lateinisch-romanischer Begriff „pontena“, der für das östliche Innufer schon 790 belegt ist.
Hier sei noch Eugen Pateras Namensdeutung erwähnt: Dieser hat 1998 den Namen Pfunzen von einer römischen Quellgottheit Fontinalis zu erklären versucht. Dies würde zwar gut zu den bekannten und beliebten Quellen von Leonhardspfunzen passen, aber Langenpfunzen außer Acht lassen, und hätte wohl zu „Funzen“ geführt. Deutsches pf beruht aber zumeist auf p, nicht auf f. Pons (Brücke) schlägt Fons (Quelle). „Faffenhofen“? Nein: „Pfaffenhofen“!