Rosenheim – Alfons Röckls „Kleine Werkraumgalerie“ befindet sich im ersten Stock des Hauses Heilig-Geist-Straße 4 über Feinkost Winkler. Durch eine türkisfarbene Holztür betritt der Besucher den dunklen Flur auf den Fußbodenfliesen aus dem 19. Jahrhundert, und eine gewundene Treppe führt hinauf in eine ehemalige Wohnung. Hier zeigt Röckl (81) bis 1. November seine Ausstellung „Eigene Bilder“.
Herr Röckl, wie kamen Sie zur Malerei?
Schon als Kind habe ich kleine Männchen gezeichnet, auch in die Schulhefte. Gemalt habe ich immer schon; Ende der 1970er-Jahre hatte ich meine erste Ausstellung beim Aiblinger Kunstverein. Da hatte ich schon viele Bilder gemalt, und eine Nichte, die Kunst studiert hatte, und deren malender Freund hatten mich dazu animiert, ebenso der Maler Rudi Englberger aus Wasserburg.
Ihr erlernter Beruf hat durchaus mit Kunst und Gestaltung zu tun. Zuerst waren Sie in den 1950er-Jahren in der Handdruckerei der ehemaligen Papierfabrik Niedermayr, dann in einer Plakatdruckerei in München tätig, bevor Sie 25 Jahre als Setzer im OVB wirkten. Entstand da der Wunsch, in der Kulturszene mitzumischen?
Das ist langsam gewachsen. Nach dem Ausscheiden aus dem OVB war ich Anleiter in der Druckerei des Diakonischen Werks und organisierte das „Theater in der Austraße“, wo ich auch Leseabende von Redaktionskollegen und mit Regisseur Toni Müller mit Musikbegleitung veranstaltet habe.
Drei Legislaturperioden gehörten Sie dem Rosenheimer Stadtrat an (erst Grüne, dann ÖDP). In dieser Zeit eröffneten Sie 1999 ihre Galerie. Wie kamen Sie dazu und hatten Sie Unterstützer?
Der Maler Rudolf Wolfbeisser hatte in dieser ehemaligen Wohnung sein Atelier und fand ein besseres; ich konnte die Räumlichkeiten übernehmen. Zuvor hatte der Künstler Rolf Märkl im Dachgeschoss des Zischglhauses am Max-Josefs-Platz eine Galerie geführt, die er aufgab. So entstand die Idee, diese Lücke zu füllen. Aufgrund der Bekanntschaften mit Künstlern und der Mund-zu-Mund-Propaganda kamen nach der ersten Ausstellung mit dem heuer im Mai gestorbenen Maler und Zeichner Rainer Dillen laufend Anfragen regionaler Künstler, bei mir ausstellen zu wollen. Das waren am Anfang Gertruda Gruber aus Rosenheim, Konrad Huber aus Prien, Sigi Braun aus Traunstein oder Professor Ernst Haas, Marquartstein.
In der Folge stellten zum Teil namhafte regionale Künstler bei Ihnen aus – aber auch der renommierte Tiroler Zeichner Paul Flora. Wie kam der Kontakt zustande?
Flora war auf Einladung von Ludwig Gruber, damals Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks St. Nikolaus, öfters dort, wo ich ihn kennenlernte. Er wollte bei mir ausstellen. Leider starb Flora kurz vor der Eröffnung. Mit seinem Sohn gab es noch eine zweite Ausstellung.
Eine Besonderheit Ihrer Galerie ist die Verbindung zu zeitgenössischen tschechischen Künstlern, die bisher zweimal hier ausstellten, darunter Bohuslav Reynek. Andererseits haben Sie und Ihre Kollegen Rudolf Wolfbeisser und Peter Pusch im Gegenzug in Prag ausgestellt. Ist Kunst für Sie eine Form der Völkerverständigung?
Ja, das hat Kreise gezogen und Freundschaften über die Sprachbarrieren hinweg geschaffen. Zu den Gedichten und poetischen Bildern von Reynek fühlte ich sogleich eine tiefe ideelle Verwandtschaft.
Sie bieten Ihren Besuchern nicht nur Bilder-, Skulpturen- und Fotoausstellungen, sondern auch Konzerte. Die Literatur gehört auch zu Ihren vorrangigen Interessensgebieten. Sind Sie schon als junger Mensch mit dieser Literatur in Kontakt gekommen?
Wenn man als Kind das Glück hat, dass Mutter und Großmutter Märchenerzählerinnen waren, dann wird dafür ein Samenkorn gelegt. In der Kindheit liegt der Schlüssel, wie sich Leben entwickeln kann. Meine Bilder sind auch kleine Erzählungen. Heutzutage sind die Menschen einer ungeheuren Bilderflut ausgesetzt – das merkt man am Publikum, das sich zur Betrachtung eines einzelnen Bildes kaum noch Zeit nimmt.
Wann und wie haben Sie sich als bildender Künstler „freigeschwommen“ und etabliert?
Vor etwa 20 Jahren habe ich begonnen, mit immer mehr Hingabe zu malen, habe eine Staffelei gekauft und im kleinen Atelier vor den Ausstellungsräumen gearbeitet; heute male ich meist zu Hause am Tisch.
Wie entstehen ihre Bilder und welche Techniken verwenden Sie?
Die Bilder sind eigentlich im Kopf schon da – wenn sie sich melden, versuche ich, sie auf Papier oder einen anderen Malgrund zu übertragen. In Mischtechnik, als Zeichnung oder Radierung.
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Ich empfinde viel Sympathie für die Figur des blinden Sehers; diese Galerie ist ein ruhiger Platz in dieser Event-Stadt – vielleicht bin ich der letzte Rosenheimer Romantiker.
Interview: Hendrik Heuser