Grassau – Klanglich neue Welten taten sich da auf dem großartigen Bösendorfer-Flügel auf, als der Pianist Michael Alf in der Sawallisch-Villa Swing und Jazz spielte. Das abwechslungsreiche Programm spiegelte das virtuose, facettenreiche Klavierspiel wider. Frisch, kraftvoll, leidenschaftlich, mitreißend, gefühlvoll, sentimental-schwebend – da war für jeden was dabei, das riss auch das sonst klassik-verwöhnte Publikum mit. Mit einem Begrüßungs-Boogie, mit „rollendem Piano-Blues zum Tanzen“ ging es los. Von „Tico-Tico“ aus Südamerika mit dem jazzigen Arrangement James Bookers über das „Rockie Boogie“ von Pete Johnson bis hin zum schnellen „Boogie-Woogie Stomp“ von Albert Ammons überzeugte der groovige Sound, den der Siegsdorfer Pianist locker-souverän anmutend aus dem Ärmel schüttelte. Den rollenden Bässen der linken Hand setzte er mit der rechten Hand melodische, bluesorientierte Off-Beat-Figuren entgegen, von Trillern und Tremoli durchsetzt und trotz des hohen Tempos präzise-sauber ausgeführt.
Aber auch den gefühlvoll-sanften Anschlag beherrscht Michael Alf, sei es beim melancholisch anmutenden „September-Song“ von Kurt Weill, dem „St. Louis Blues“ von Albert Ammons oder der Eigenkomposition „David“ für einen verstorbenen Musikerfreund. Feierlich-sakral mutete das Spiritual „Swing low, sweet chariot“ und behutsam-federnd kam das Jazzstück „On the sunny side of the street“ aus den 30er-Jahren daher.
Für sein Programm bediente sich Alf aber auch klassischer Anleihen. Den türkischen Tanz von Mozart interpretierte er zu einer Boogie-Woogie-Version namens „Marsch a la Turka Stomp“ um, der Hummelflug von Nikolai Rimski-Korsakow geriet zu einem „Bumble stomp“ und die „Nussknacker-Suite“ von Tschaikowski mutierte zu einem „Nutcracker Boogie“. Und nicht einmal vor dem bekannten ungarischen Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms für vier Hände machte die Boogie-Mania Halt. Fein dosiert setzte Alf zwischen den Solostücken seine Tenorstimme ein, gefühlvoll beim Country-Song „hey good lookin“ von Hank Williams, charmant-kantig beim „I’m walking to New Orleans“ von Fats Domino, sanft-verliebt in „fine brown frame“ von Dianne Reeves und Lou Rawls. Da durfte das Publikum mitsingen, mitschnippen war sowieso erwünscht. Ein Konzert, bei dem sich Improvisationslaune und Spielfreude mit virtuoser Technik paarten, das mitriss und begeisterte.