Eine Einladung zum Innehalten

von Redaktion

Annette Bastian, Heidemarie Hauser und Carolina Camilla Kreusch in Städtischer Galerie

Rosenheim – „Stop & Go“, so lautet der Titel einer Ausstellung mit Werken von Annette Bastian, Heidemarie Hauser und Carolina Camilla Kreusch in der Städtischen Galerie Rosenheim. Es sind drei Künstlerinnen mit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen, denen eines gemeinsam ist: Sie setzen sich mit der Flüchtigkeit des Augenblicks und der Rätselhaftigkeit des Alltags auseinander.

Klar und übersichtlich, auf das Wesentliche reduziert wirken die Bilder von Annette Bastian, die in ihrer malerischen Darstellung an Piktogramme erinnern. Präzise Konturen und monochrome Flächen ohne Farbübergänge lassen die Bilder ruhig und geordnet scheinen. Durch den Verzicht auf eine Zentralperspektive haben die Bilder auch keine räumliche Tiefe. Doch so aufgeräumt die Arbeiten auch wirken, so rätselhaft sind sie für den Betrachter.

Wer von den Bildtiteln Aufklärung erhofft, sieht sich enttäuscht: Ein geheimnisvoller Kasten – oder ist es ein Käfig? – der an einer dicken roten Leitung hängt, die sich aus dem Bildausschnitt hinausschlängelt heißt „Überraschung“. „Neulich“ ist ein Bild betitelt, das eine männliche Figur zeigt, die mit der rechten Hand eine aufgeschlagene Zeitung eng vor den Körper zu halten scheint – in der Zeitung eine kreisrunde Öffnung, durch die die Figur ihren linken Arm gestreckt hat. Taucht da jemand ein in die Nachrichten, lässt gleichsam die Welt in sich hinein? Dort, wo die Haare des Mannes sein sollten, ist eine offene Schüssel oder Muschel zu sehen. Symbol für die Bereitschaft, die Welt in Herz und Hirn zu lassen?

Der Betrachter ist gleichsam gezwungen, sich seine eigene Erklärung zu suchen, die Geschichten zu finden, die für ihn selbst in diesen auf den ersten Blick so einfachen, aber letztlich rätselhaften Bildern stecken.

Den Blick auf scheinbar völlig profane Alltagssituationen lenkt die in Kolbermoor lebende Künstlerin Heidemarie Hauser mit ihren Bildern, Fotografien und Videoarbeiten. Da ist eine Schwarz-Weiß-Fotoserie, die Pfützen auf der einstigen Baustelle auf dem Spinnereigelände zeigt – so völlig alltäglich, dass es die allermeisten Menschen nicht wahrnehmen würden. Hauser macht hier die Vergänglichkeit zum ästhetischen Ereignis, zwingt den Betrachter dazu, hinzuschauen, und gibt ihm so die Möglichkeit, die Schönheit darin zu entdecken.

Andere Fotografien – etwa das großformatige „nachtblau“ – lassen den aufwendigen Produktionsprozess deutlich werden, ohne dass man genau sagen kann, wie das Werk exakt zustande gekommen ist. Da werden Bilder offenbar übermalt, neu zusammengesetzt, projeziert, wieder aufgenommen – der Inhalt des Fotos verschwindet in seiner Überarbeitung.

Rätselhaft sind auch die „Metamorphosen“ von Heidemarie Hauser, „Tableaus“, wie sie der Münchner Künstler Reinhard Fritz in seiner Einführung zur Ausstellung sehr passend nannte. Jeweils eine Schwarz-Weiß-Fotografie, darum angeordnet etliche Zeichnungen, krakelnde Linien, die von einem Blatt zum anderen reichen, etwas abseits platziert ein rot-schwarzer Fleck.

Es scheint, als würde sich Hauser selbst erst dem Thema annähern, das die Fotografie vorgibt, die Zeichnungen kreisen – räumlich wie inhaltlich – um das Foto. Es ist kein festes Thema, mit dem sich die Künstlerin auseinandersetzt, vielmehr eine Annäherung, die durch die Anordnung der Zeichnungen und Fotos entsteht.

Die Münchner Künstlerin Carolina Camilla Kreusch nimmt sehr alltägliche Gegenstände, um damit ihre Objekte zu schaffen. Holzfaserplatten und Stäbe, Folien und Lack, Kartonagen und Schläuche sind ihre Materialien. Ihre flachen Objekte zeigen eine Faszination für Struktur und Konstruktion. Die farbenfrohen Objekte, lassen an Nester denken. Es sind Kunstwerke, die an Vernetzungen erinnern, sich nicht linear entwickeln, sondern aus lauter Querverbindungen bestehen. Von weitem wirken die Arbeiten wie maschinell erstellt, erst der genaue Blick zeigt, wie viel handwerklicher Aufwand in ihnen steckt. Nichts ist hier einfach, sondern alles ist detailreich und vielschichtig – ein Abbild unserer Realität.

Die Städtische Galerie zeigt hier keine einfache, schnell konsumierbare Ausstellung, sondern eine Schau im eigentlichen Sinne des Wortes, die dazu einlädt, genau hinzublicken – nicht nur bei der Kunst, sondern auch im eigenen Alltag – bevor es dann wieder weitergeht mit der atemlosen Hektik: „Stop & go“ halt.

Bis 28. April

Bis 28. April in der Städtischen Galerie Rosenheim, Max-Bram-Platz 2, Dienstag bis Freitag, 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Montags sowie Karfreitag ist geschlossen.

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