Wie war‘s?

Verwirrte Liebe in der Badewanne

von Redaktion

Turbulente Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ in der Theaterinsel Rosenheim

Rosenheim – Vor Kurzem hat der Regisseur Toni Müller seinen 75. Geburtstag gefeiert. In einem Interview in der Heimatzeitung war zu lesen, wie inspirierend er gerade für junge Theaterliebhaber war. Aus „seiner“ Theaterinsel in Rosenheim kam jüngst die Bestätigung dafür: Dort hat ein Regietrio, bestehend aus Stefan Höhn, Luca K. Reichert und Franziska Reuter, die Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ inszeniert und eine in sich gerundete, witzige, meist temporeiche, spannende und sprachlich ausgefeilte Aufführung geschaffen.

Die Bühne (Stefan Rathmacher und Stefan Höhn) ist dienlich schlicht und meist leer. Sie ist hinten begrenzt von einer Wand, durch deren Löcher die Figuren herauskugeln oder zuschauen können, und bestückt nur mit hohen Holzschränken, die als Sitzbank, Umziehkabine, Schnapsversteck oder sogar – witzigster Höhepunkt – als Badewanne dienen: Das Wasser kommt aus der Decke, der Herzog Orsino nimmt ein Bad und zerrt Viola mit hinein, von der er ja annimmt, sie sei ein Jüngling: ein liebesverwirrendes und gleichzeitig höchst anmutiges Stück Handlung, höchste Erotikintensität im Zeitpunkt höchster Enttarnungsgefahr. Besonderes Lob gebührt den Kostümen (Franziska Reuter und Luca K. Reichert): nicht zwanghaft modernisierend, sondern anspielungsreich historisierend und durchaus fantasiereich-prunkvoll. Als Musiker wanderten Amelie Rinser, Lorenz Huber und Robin Ulrich immer wieder über die Bühne: Mit abgewandelten bekannten Melodien hätten sie mehr Wirkung erzielt.

Das Regietrio hat die Handlung geschickt gekürzt, nur nach der Pause gab’s einige Längen. Die wurden maßgeblich durch Günter Hendrich verursacht, der den Junker Tobias spielt: Mit seiner Textunsicherheit, seinem Hinnuscheln und seinen bedeutsam sein wollenden Verzögerungen war er ein einziges dramaturgisches Ritardando.

Das Kürzungsgeschick führte zu einem ausgewogenen Gleichgewicht aller Liebeshandlungen und aller Figuren. Violas Aussage „Ich bin nicht, was ich spiele“ gilt für alle Figuren in diesem Stück, und so folgt man gespannt und gebannt diesem Reigen des Vergeblichen, diesem subtilen Spiel der Verkennung und (Selbst-)Täuschung, diesem Spiel der Masken und bewussten Verstellungen und der Doppelgänger-Verwirrungen.

Robert Reichert ist der hübsche Herzog Orsino mit Stutzer-Schnurrbärtchen und in die Liebe verliebter Dauer-Liebes-Suada, Sarah Fischbacher die ebenso hübsche Viola, die ihre schönen langen Haare unter einer Mütze verbirgt und damit eine anziehende Androgynität entwickelt. Beide spielen mit ihrer zart aufkeimenden Liebe ebenso virtuos wie mit Shakespeares Sprache, mit ihren biegsamen Körpern ebenso geschickt wie mit ihrer feinen Artikulation.

Lukas Paulsteiner wirkt wie selbstverständlich als ihr Bruder Sebastian, der Olivia bekommt, die ja eigentlich seine Zwillingsschwester Viola liebt, den sie für einen Jüngling hielt. Alena Lendaro hält als Olivia ihre hoheitsvolle Haltung, gestärkt durch einen herrlichen schwarzglitzernden Reifrock und eine züchtige Zopffrisur, lange aufrecht, bis sie vor Liebesglut sich windet und ihre langwallenden Haare sich öffnen. Hoheitsvoll ist auch ihre Rede und ganz beredt sind ihre Augenbrauen.

Der in sie verliebte Malvolio ist in der Gestalt von Alexander Rathmacher eine köstlich-komödiantische eitel-selbstverliebte Figur, er genießt seinen Text stimmstark näselnd und artikulationsgenau und er genießt auch zum Gaudium der Zuschauer die Wirkung seiner kreuzweise geschnürten gelben Strumpfhose. Als intrigenverliebtes Kammerkätzchen prunkt Katharina Reuter mit roter Lockenmähne und ausgeprägter Spiellust. Eigentlich hätte man ihr den Junker Andreas zusprechen wollen, weil der eine ebenso wallende Lockenmähne trägt (wendig: Daniel Burton). Den braven Antonio gab Árkos Dombai mit sympathisch fremdem Akzent. Zu der Geschlechterverwirrung passte, dass der Narr Frauenkleider trägt: Ludwig Herrmann präsentierte seine Wortverdrehungen erst nach der Pause dramaturgisch sicher und pointiert. Das Publikum spendete am Ende reichhaltigen Applaus und ließ sich willig durch dies Liebeslabyrinth führen: „So voll von Phantasien ist Liebe, dass nur sie phantastisch ist“, schwärmt ja der liebeskranke Orsino. Und wir schwärmen von der Spielfreude und der Textverliebtheit der jungen Schauspieler.

Weitere Vorstellungen

Weitere Vorstellungen in der „Theaterinsel“ in der Chiemseestraße 8 in Rosenheim sind am 22., 23., 30. und 31. März sowie am 6., 12., 13. und 14. April, an den Freitagen und Samstagen um 20 Uhr, an den Sonntagen um 17 Uhr. Karten kann man reservieren unter www.theaterinsel.de oder unter 08031/9008203.

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