Rosenheim – Sekundenlang stand der Wasserburger Kabarettist Jörg Herwegh mit verspiegelter Sonnenbrille stumm vor dem Paravent seiner Einmann-Bühne im Saal des Mailkellers, bis eine erste Reaktion aus dem Publikum kam.
„18 Sekunden“, konstatierte der Protagonist und berichtete, dass dies in Eschlkam im Bayerischen Wald einmal 45 Minuten gedauert habe. Nun ist groteske Überzeichnung ein natürliches Mittel der Satire – und dieser Abend bot noch eine ganze Menge davon.
Seit Jahren ist Herweghs „Rosenmontags-Brettl“ in Rosenheim ein beliebter Treffpunkt der Anhänger seiner Solo-Auftritte. Rund 50 Gäste hatten es sich an den Tischen im bewirteten Saal der „Tante Paula“ gemütlich gemacht und verfolgten konzentriert den wiederum fulminanten und temporeichen Auftritt des Allround-Künstlers, der auch als Schauspieler, Autor und Regisseur bekannt ist.
Sein neues Programm „G.AU.dium“ beleuchtet Tiefen und Höhen menschlicher Kommunikation, die ja hauptsächlich aus Gesten, dem Geschriebenen und dem Gesprochenem besteht. Ersteres führte Herwegh – nebenbei auch Trainer einer Fußball-Jugendmannschaft – hinreißend mit einem musikalisch unterlegten „Ausdruckstanz eines A-Klassen-Schiedsrichters“ vor.
Neben vielen kleineren temperamentvoll gespielten Sketchen war der Höhepunkt des Programms der strategisch geplante samstägliche Großeinkauf der sechsköpfigen Familie in einem Supermarkt, deren Einsatz Herwegh als „Gustaf 1“ vom höher gelegenen Café aus per Handy steuerte. Auch dieses skurrile Konsum-Chaos hat sich Herwegh selbst ausgedacht – und erntete mit dieser Hochtempo-Darbietung den begeisterten Applaus des zumeist älteren Publikums. Die Jüngeren im Saal hatten ebenso ihren Spaß und mussten erkennen, dass auch Väter mit über Mitte 50 ganz schön Gas geben können. Hendrik Heuser