Prien – Bei ihrem letzten Konzert der vergangenen Saison, im September 2018, verabschiedete sich Dr. Claudia Trübsbach, Initiatorin und Leiterin der „Inselkonzerte auf Herrenchiemsee“, nach 17 erfolgreichen Jahren endgültig von ihrer renommierten Kammermusikreihe, ihren Musikern und ihrem Publikum. Sie tat dies nicht, ohne sich bei allen, die zu dem Erfolg der Konzerte beigetragen haben, zu bedanken und fügte am Ende hinzu, dass begründete Hoffnung bestehe auf eine Weiterführung der Konzerte – vielleicht schon in der kommenden Saison.
Liebe Frau Trübsbach, im Herbst haben Sie schweren Herzens das Ende der „Inselkonzerte“ angekündigt, jetzt scheint doch eine Lösung für ihre Fortsetzung gefunden worden. Was ist passiert?
Tatsächlich hatten sich noch vor dem Abschiedskonzert im September verschiedene Musiker gemeldet, alles wunderbare Künstler, die sich jeweils im Team mit einem Organisator um eine Weiterführung der „Inselkonzerte“ bewarben. Eine optimale Situation, auch wenn es vorerst nicht danach ausgesehen hatte. Ich führte mit allen Interessenten ausführliche Gespräche, hatte dann aber die Qual der Wahl. Die Entscheidung fiel schließlich auf den Bratschisten Nils Mönkemeyer und den Pianisten William Youn, beides herausragende, international renommierte Musiker, die zusammen mit Nils-Peter Timm, Jurist beim Bayerischen Rundfunk, Programmgestaltung und Organisation stemmen wollen. Alle drei wohnen in München. Mönkemeyer und Youn kennen die „Inselkonzerte“, sie sind dort bereits mehrfach solistisch aufgetreten, auch noch, als sie später bereits auf den großen Bühnen der Welt zu Hause waren. Sie sind jung und enthusiastisch und in der Klassik-Szene bestens vernetzt. Die Übergabeverträge haben wir kürzlich unterzeichnet. Jetzt wird überlegt, ob auch der Förderverein „Freunde der Inselkonzerte“ für die Nachfolger erhalten bleiben kann.
Wie ist die Reihe eigentlich entstanden?
So merkwürdig das klingt: Ausschlaggebend für die „Inselkonzerte“ war die deutsche Verfassung. 1948 kamen ja im Augustiner-Chorherrenstift Politiker und Wissenschaftler zusammen, um nach dem Krieg die Grundlagen für das Grundgesetz der Bundesrepublik zu erarbeiten. 50 Jahre später sollte dieses historische Ereignis mit der Einrichtung eines Museums gefeiert werden, und so wurden im Vorfeld Teile des Chorherrenstifts restauriert. Diese Restaurierung kam auch dem ehemaligen barocken Bibliothekssaal zugute, den ich anlässlich der Eröffnungsfeier 1998 erstmals sah. Blitzartig kam mir damals der Gedanke: In diesen herrlichen Raum gehört Kammermusik. Weil ich beruflich aber noch zu sehr im Münchner Gasteig eingespannt war, konnte ich mich erst 2002 mit der Realisierung befassen. Nach zwei Test-Konzerten entschied ich, die Reihe dauerhaft einzurichten. Allerdings war mir klar, dass ich eigentlich Unmögliches wollte: Einerseits sollten nur herausragende Musiker eingeladen werden, was normalerweise höhere Gagen bedeutet, andererseits standen dem nur geringe Einnahmen gegenüber, da in dem Saal lediglich 95 Plätze zugelassen waren. Eine „Quadratur des Kreises“. Ich hätte damals nicht gedacht, dass bei dieser finanziellen Gratwanderung sich die Konzerte mehr als 17 Jahre am Leben halten würden.
Eine lange Zeit, vor allem in dieser Konstellation….
Ja, ich habe ganz bewusst durch besonderen persönlichen Einsatz versucht, die Situation zu kompensieren. So waren die Musiker fast immer bereit, auf einen Teil ihrer üblichen Gage zu verzichten. Und mir war es ein Anliegen, dass die Künstler sich hier besonders wohl fühlen. So wurden sie nach den Konzerten zum festlichen Essen in die „Linde“ auf der Fraueninsel eingeladen. Zusammen mit deren Freunden und teils auch Konzertbesuchern waren dies sehr fröhliche Abende. Kein Musiker, der nicht gern wiederkommen wollte. Außerdem kam Hilfe von befreundeten Musikliebhabern. Sie gründeten den Förderverein „Freunde der Inselkonzerte“. Die Mitgliedsbeiträge sorgten für ein gewisses finanzielles Fundament. Darüber hinaus gab es private Spenden. Auch Priener Geschäftsleute und natürlich öffentliche Geldgeber, wie das bayerische Staatsministerium für Kunst und Wissenschaft, förderten die mittlerweile überregional anerkannte Konzertreihe. Und wenn es um die Unterbringung der Musiker ging – dann engagierten sich verschiedene Freundinnen. Sie beherbergten die Musiker und stellten mehrfach auch ihr ganzes Haus für Ensembles zur Verfügung. Den größten und überraschendsten Beitrag hat jedoch ein Konzertbesucher geleistet. Als der bisherige alte Bechstein-Flügel plötzlich verkauft worden war, wir aber dringend ein Instrument brauchten, da lieh uns vorerst das Pianohaus Bredschneider einen wunderbaren Steinway-Flügel, der dort für mehrere Zigtausend Euro zum Verkauf stand. Nachdem ich in ziemlicher Verzweiflung das Publikum beim nächsten Konzert um Mithilfe gebeten hatte für die Beschaffung eines Instruments – andernfalls hätten die „Inselkonzerte“ eingestellt werden müssen –, erhielt ich eine Mail aus München von einem mir unbekannten Herrn Dr. Ritt. Er habe gestern das erste Mal eines unserer Konzerte besucht und trage sich mit dem Gedanken, den Steinway-Flügel zu erwerben, um ihn den „Inselkonzerten“ dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Die Geschichte hatte ein Happy End!
Fällt es Ihnen schwer, die Reihe abzugeben?
Es ist nicht leicht, weil ich die „Inselkonzerte“ ja als „eines meiner Kinder“ betrachte. Ursprünglich wollte ich die künstlerische Leitung gern beibehalten, aus Altersgründen aber alles Organisatorische abtreten. Ich bin jetzt 76 und möchte einfach nicht mehr unter dauerndem Termindruck stehen. Das ließ sich jedoch nicht realisieren. Aber mit der neuen Lösung bin ich sehr glücklich. Sie werden die Konzerte auf hohem künstlerischem Niveau weiterführen und vielleicht auch manches neu entwickeln. Das Programm für 2019 steht jedenfalls, wie sie mir mitgeteilt haben. Für mich waren es 17 Jahre mit viel Arbeit, aber immer wunderbaren künstlerischen und persönlichen Begegnungen und beeindruckenden Konzerten, die mich oft für alle Mühe entschädigt haben.
Was werden Sie jetzt mit Ihrer Zeit anfangen?
Ich möchte mehr Muße haben für mich und meine vielfältigen Interessen, Zeit für meine Freunde und für das Zusammensein mit den Kindern und meinen geliebten vier Enkeln. Und – ich freue mich darauf, zukünftig die „Inselkonzerte“ entspannt nur als Zuhörerin genießen zu dürfen.
Interview: Klaus Kuhn