Raubling – Tod und Teufel, Himmel- und Höllenfahrt, Sterbenwollen und Sterbenmüssen: Das sind die Themen des Bilderbogens mit dem Titel „Birnbaum und Hollerstauden“. Sein Autor Joseph Maria Lutz ist wohl der philosophischste unter den bayerischen Komödienschreibern. Dieses Stück berührt die letzten Lebensgeheimnisse und ist eine besinnlichere Variante seines unsterblichen „Brandner Kaspars“, des Nationaldramas der Bayern.
Was dort der Kerschgeist schafft, macht hier der Birnbaum: Ein weiblicher Trick fesselt den Tod im Birnbaum, und niemand stirbt mehr. Aber: „A Leb’n ohne Tod is furchtbar!“ erkennen der Schmied und seine Schmiedin, die am Anfang triumphierend über den Tod gelacht haben und ihn am Ende doch ersehnen: Ohne Tod gibt‘s kein Leben, „wo ein End is, is a a Anfang“, sagt der Tod.
Die „Kleine Bühne Pfraundorf“ hat dieses besinnliche Volksstück auf die dreigeteilte Bühne im „Alten Wirt“ von Pfraundorf gebracht. Der Regisseur Korbinian Schinklinger lässt alles bedächtig und achtsam sich entwickeln, die eingestreuten Gesangseinlagen bilden meditative Ruheinseln in dem eh schon ruhigen Stück, Humor gibt es, er zieht sich gegen Ende aber immer mehr zurück bis zum rein religiösen Schluss, wenn die heilige Muttergottes (gütig: Veronika Dinzenhofer) dem uralten Schmieds-Ehepaar den Eintritt ins goldene Himmelstor verschaffen, den Petrus (mahnend: Peter Langer) nur der Schmiedin gewähren wollte. Dieses Volksstück spielt sich fast von selbst, wenn man die Figuren richtig besetzt.
Das ist in Pfraundorf der Fall: Anton Schwaiger ist der gutmütig-gesunde Schmied, der den Tod überlistet, Katharina Obermair seine lebfrisch-herzige Frau. Erschütternd genau gelingt beiden die Wandlung zum hinfällig-todessehnsüchtigen alten Paar. Günther Maier schlurft als der alte Müller herum, der anfangs nur sterben will, aber, als es soweit ist, plötzlich lebensfroh wird.
Die beiden Schmiedgesellen (Andreas Bauer und Stephan Hemberger) verprügeln genüsslich den Teufel. Der tritt auf, wenn das Stück fast schon am Ende zu sein scheint, und ist ein Meisterstück der Maske und des Kostüms (Elisabeth Artmann und Maria Mayr): Im Funkenfeuer stürmt Markus Mädler rotbemalt, gruslig behaart und angsteinflößend die Bühne, in Lederhosn mit riesigem Schweif hintenraus, einem ebenso riesigen rechten Klumpfuß, mit Hörnchen auf dem Kopf und schniefend brüllend.
Die schönste Rolle hat natürlich der Tod: Dünn wie ein Hungerharing, weißwangig und bloßfüßig schleicht Florian Antretter über die Bühne, jammert gefangen im Birnbaum, wo schon die Spinnweben um ihn wachsen, und triumphiert am Ende doch, nachdem der Teufel ihm buchstäblich die Hölle heißgemacht hat: Wie gegen den Tod, so ist auch gegen diese Rolle kein Schauspielerkraut gewachsen, wenn sie so genüsslich ausgespielt wird. Mit Recht heimst er den größten Beifall ein: Der Tod siegt am Ende immer.