Bilder wie Erinnerungen

von Redaktion

Gemälde und Skulpturen von Thomas Helbig im Rosenheimer Kunstverein

Thomas Helbig: „Use your Relatives. Home.“ Kunstverein Rosenheim, Klepperstraße 19, Donnerstag, Freitag und Samstag, 14 bis 17.30 Uhr, Sonntag, 11 bis 17.30 Uhr.

Bis 28. Oktober

Rosenheim – Für Thomas Helbig ist es eine kleine künstlerische Heimkehr. 1967 in Rosenheim geboren, studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in München und am Goldsmiths College London. Heute lebt und arbeitet er in Berlin. Nach Ausstellungen etwa in Amsterdam und Athen, Bergamo und Braga, New York, Los Angeles und Prag sind nun erstmals seine Bilder und Skulpturen in einer Einzelschau in seiner Heimatstadt zu sehen.

„Use your Relatives. Home.“, so lautet der Titel der Ausstellung: „Benütze deine Angehörigen.“ Die seltsam anmutende Aufforderung stammt aus einem Zeichenlehrbuch und rät, Verwandte als Objekte für das Zeichenstudium zu verwenden. Das Motto passt zu Helbigs neuesten Arbeiten: Auf den Leinwänden tauchen neben vielschichtigen Motiven einzelne, fragmentierte Gesichter auf. Helbig bringt sie mittels des Verfahrens der Nitrofrottage auf der Leinwand auf. Dabei wird ein Lösungsmittel auf eine Bildvorlage gegeben und die Farbpartikel werden von Hand gleichsam in die Leinwand einmassiert. Das Ergebnis ist keine banal-exakte Kopie. Vielmehr ist es ein verwischtes, verfremdetes Abbild des Originals. Es entstehen Bildfragmente, die wie Erinnerungen kurz vor dem Verschwinden wirken, flüchtige Eindrücke, die einem bekannt vorkommen, ohne sie zuordnen zu können: „Ahnung zwischen Bewusstem und Unbewusstem“, wie es Kunsthistorikerin Dr. Verena Hertz in ihrer Einführung nannte.

Helbig hat dafür freilich nicht – entgegen dem Ausstellungstitel – die eigene Familie verwendet, sondern greift auf Motive aus berühmten Gemälden zurück. Darum auch der seltsam entrückte Blick der dargestellten Gesichter. So stammt das Antlitz in „I. Rubens“ tatsächlich von dem niederländischen Meister und verweist auf die klassische Kunst des Porträtsmalens. Helbig stellt sich damit gleichsam selbst in die Tradition der Kunstgeschichte.

Die Bildmotive sind oft auf den ersten Blick verwirrend wirkende Collagen. Erst beim zweiten Hinschauen fällt etwa bei „I. Rubens“ auf, dass es sich nicht um einen einzelnen Frauenkörper handelt, sondern um mehrere sich überlagernde Motive aus unterschiedlichen Perspektiven.

Collagen sind auch die Skulpturen Helbigs. Dafür zerlegt er kitschige Dekorationsfiguren aus Plastik in ihre Einzelteile. Mithilfe von PU-Schaum fügt er sie zu überladenen, abgründig wirkenden neuen Figuren und Torsi zusammen. Kitsch ist für Helbig Darstellung ohne jeden Inhalt, reine Oberfläche. Durch die Montage entstehen überbordende Skulpturen, oft aperspektivisch, für die sich der Betrachter neuen Sinn herstellen kann.

Nicht übersehen darf man die drei Bilder im Vorraum des großen Ausstellungsraums. Auf einem befinden sich runde, schwarze Deckel auf dunkelbraunem Hintergrund. Einer der Deckel wirkt verschoben. Eine Gesichtshälfte mit einem großen Auge spitzt aus der Lücke heraus und scheint den Blick auf einen Raum hinter dem Bild zu ermöglichen.

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