Ausstellungsdauer

von Redaktion

Die Ausstellung „Rosenheim-Mantova“ in der Städtischen Galerie Rosenheim

Zu sehen bis 4. November, Städtische Galerie Rosenheim, Max-Bram-Platz 2. Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag von 13 bis 17 Uhr.

Kunst mit Kahn

Rosenheim – Die Ausstellung „Rosenheim-Mantova – Peter Casagrande und lombardische Künstlerfreunde“ beginnt schon vor der Städtischen Galerie. Ein Nest aus Weidenholz, das hoch in der Luft in der Gabelung eines Gestells aus sechs Meter langen Holzstangen sitzt, wirbt für die Kunstschau. Die Installation in der Land-Art- Tradition stammt von Italo Lanfredini.

Im Inneren zu sehen sind die Arbeiten von sechs italienischen Künstlern aus der weiteren Region um Mantua, die einen Einblick geben in die zeitgenössische Kunst und das Lebensgefühl der Po-Ebene. Das „Rosenheim“ im Titel der Ausstellung vertritt der in Maitenbeth lebende Künstler Peter Casagrande, der zugleich Kurator der Ausstellung ist, die aus persönlichen Kontakten entstanden ist.

Beherrschendes Werk der Ausstellung ist das „Boot der kostbaren Essenzen“ von Italo Lanfredini, vor dem der Besucher gleich in der Eingangshalle steht. Über sieben Meter lang ist der Einbaum aus Pappelholz, der in seinem Inneren eine Vielzahl von tönernen Amphoren trägt, manche in klassischer Form, manche haben die Gestalt von Gesichtern, eine gleicht einem aufgeschlagenen Buch, andere einem weiblichen Torso oder einer Konservendose. An einem Ende des Bootes lehnt ein Paddel, am anderen Ende ein grob geknüpftes Fischernetz. Die ganze Installation schwimmt gleichsam auf einer Welle aus Holzstücken. Eine ebenso archaische wie poetische Arbeit, die auf die zeitlos harte Arbeit der Fischer auf dem Po verweist wie auch auf die Fahrt auf dem mythischen Strom des Lebens und der Kunst.

Eine weitere beeindruckende Arbeit von Lanfredini befindet sich im nächsten Raum: Gewaltige Schmiedezangen stehen auf einem Feld von Terracotta-Platten, die wie an der Oberfläche erstarrte Lava wirken. Die nach unten geöffneten Zangen scheinen an der Oberfläche zu kratzen und die heiße Glut hervortreten zu lassen.

Raumfüllende

Gemälde

Größer könnte der Gegensatz nicht sein als zu den drei großformatigen Gemälde-Tafeln im gleichen Raum: Die gewaltigen Bilder von Peter Casagrande sind in eisig-kaltem Grau, Weiß und Schwarz gehalten – nur drei Tafeln von insgesamt zehn, die das „Schweinfurt Bild“ im Original bilden. Trotz der kühlen Farben sind es Bilder, die die Energie wiederspiegeln, die Casagrande beim Akt des Malens hat einfließen lassen.

Geheimnisvoll wirken die Fotografien und Drucke von Antonella Gandini. Ihre Themen sind der menschliche Körper und die Natur. Das Spiel mit Licht und Schatten, Überblendungen von mehreren Bildebenen und Verfremdungen mittels Zeichnungen und Collagen machen eindeutige Zuordnungen des Gesehenen schwer. Pflanzenteile werden zu fließenden Strukturen, menschliche Körperansichten zu geheimnisvollen Objekten. „Altre Nature“ sind einige Arbeiten betitelt: „andere Natur“. Und darum scheint es Gandini zu gehen: um eine Natur hinter der Oberfläche der sichtbaren Natur.

Auf den ersten Blick wirken die Arbeit von Carlo Bonfa wie fröhliche Pop-Art-Kunst. Kleine farbige Figuren sind im Gartensaal zu sehen. Doch einer der Drucke an der Wand trägt den Titel „Bosnia“. Die Figuren in Reih und Glied gemahnen an den Genozid und die Gleichschaltung der Menschen. Daneben Reihen von lustig-bunten Herzen, dazwischen ist unauffällig das Kürzel „P 38“ zu lesen, die Bezeichnung für die Dienstpistole der deutschen Wehrmacht. Sind die kleinen Kringel in den Herzen Einschusslöcher? Auch die Installationen, die an Holzspielzeug erinnern, sind voller Abgründigkeit. Niedliche Boote entpuppen sich als Urnen, überall starren schwarze spitze Holzstäbe wie Stacheln hervor, ein Hochzeitspaar steht symbolträchtig auf einer umgedrehten Toiletten-Saugglocke, aufgebaut auf einem Gestell, das nur eine Richtung kennt: abwärts.

Das geschriebene Wort ist das Thema von Roberto Pedrazzoli. Lettern und Ziffern übereinander gelagert, ineinander verwoben, auf dem Kopf stehend, spiegelverkehrt bilden Formen und Zeichen und überschreiten so die Grenze zwischen der darstellenden Kunst und dem Kulturgut der Schrift.

Energetisch dagegen sind die Bilder von Giancarlo Bragoni: wilde Farbexplosionen, die in alle Richtungen streben, viele Farbschichte, die in einem bewegten, ja geradezu aggressiv-gewalttätig wirkenden Malgestus aufgetragen sind. „Rotes Kreuz“ heißt eine Arbeit auf kreuzförmiger Leinwand, die Farben fast eingegraben in den Malgrund, ein Kreuz des Leides voller Blut und Feuer.

Fotografien jenseits Bella-Italia-Klischees

Unmittelbar dem Lebensgefühl der Po-Ebene nähern sich die Fotografien von Fracon Piavoli. Hier bestechen vor allem die Arbeiten aus den 50er Jahren, Szenen, die kleine Geschichte aus den Dörfern der Po-Ebene erzählen. Die Motive erinnern an die Don Camillo-und-Peppone-Filme, doch es ist ein Blick auf die Menschen dieser Landschaft jenseits jedes Bella-Italia-Klischees. Vordergründig wirkt das Bild von der alten Mühle romantisch, doch die Frau darauf blickt mit Augen voll unendlicher Müdigkeit, erschöpft von harter körperlicher Arbeit, ins Objektiv. Im Nebenraum zu sehen ist Piavolis wohl wichtigster Film „Der Blaue Planet“, der der Spur des Wassers durch die Jahreszeiten folgend einen Blick auf die Natur, die Menschen und ihre Lebensweise in der Po-Ebene wirft.

Wer die vielseitige und anregende Ausstellung sehen und eine Reise durch italienische Gegenwartskunst machen will, hat noch bis 4. November Gelegenheit.

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