Wasserburg – Durchaus ernst zunehmende Musikfreunde behaupten gerne, für sie höre die Musikgeschichte bei Brahms auf. Zu ergänzen wäre: Ihr musikalisches Interesse beginnt erst bei Bach. Warum? Es sind natürlich die Hörgewohnheiten, die auch bei Alter Musik nicht im Bewusstsein eingeschliffen sind, da die ungewohnte Syntax und „Grammatik“ dieser Stile ein besonderes Einhören erfordern.
Peter Adler, der seit Jahren den Edlinger Madrigalchor „Concenti musicali“ leitet, hat sich der vorbachischen Musik, ja speziell dem Werk des aus Wasserburg gebürtigen Abraham Megerle verschrieben. Seine Liebe zu dieser Komponistenpersönlichkeit führte Peter Adler in die Staatsbibliothek und ins Archiv von Kremsmünster, um dort nach den Spuren Megerles zu forschen. So konnte er manche unbekannte Schätze heben und auch Etliches, was bereits unter anderem Namen segelte, dem Mönchskomponisten Megerle zuschreiben.
Peter Adler ist also auch noch in die Rolle eines professionellen Musikwissenschaftlers geschlüpft. Es wurde ihm und seinem Anliegen eine Sendung in Bayern4 Klassik gewidmet, und ganz aktuell hat Adler für den neuen Katalog von Schloss Kremsier einen längeren wissenschaftlichen Beitrag über Abraham Megerle verfasst.
Zugegeben: Die Musik des Frühbarock kennt nicht die oft Herz zerreißende Emotionalität einer Bach-Passion. Zuviel Dur und zuwenig Innerlichkeit, könnte ein „advocatus diaboli“ einwenden, oder: zuviel triumphalistischer Pomp…
Solch scheinbare Nachteile werden durch subtile Vorzüge ausgeglichen. Diesen kommt man freilich erst nach mehrmaligem genauen Hören auf die Spur. Es ist deshalb ein großer Gewinn, dass Peter Adler und die Concenti musicali ihre Live-Aufführungen schon mehrfach auf CDs dokumentieren konnten. Mit Lust wird man nun hörend Details von bezwingender Anmut und filigraner Raffinesse wahrnehmen, die vielleicht im Konzert zu schnell am Ohr vorbeigerauscht sind. Die neue CD bringt als Hauptwerk die „Missa Sancti Stephani“, die wahrscheinlich für Passau komponiert wurde, zusammen mit kleineren kirchenmusikalischen Werken, die, oft erstaunlich intim, in Abraham Megerle den „Entwickler zum Salzburger Hochbarock“ erahnen lassen.
Bei unbekannterer Musik gilt in erhöhtem Maße: Entweder perfekt oder gar nicht! Adler hat das Glück, einen auf Präzision und Klangästhetik eingeschworenen Chor zu leiten und an Sänger wie Instrumentalisten zu geraten, die Megerles klangliche Intentionen restlos in makelloser Schönheit realisieren. Allen voran die Soprane Maria Erlacher und Pauline Petit, die mit klarer, vibratofreier Stimme die ziselierten Melismen zum Ereignis machen. Dazu harmonieren berückend Tenor Hermann Oswald und der Bass Thomas Hamberger, die allein durch ihr warmes Timbre der Musik eine unverwechselbare Individualität verleihen. Vervollständigt wird die vokale Solistenriege durch den Altus Markus Forster, der mit hoher Kopfstimme wesentlich zur stilistischen Authentizität beiträgt. Ähnlich ist es mit dem Instrumentarium: Die Streicher wie die Grassauer Bläser spielen auf historischen Instrumenten und die Farben von Theorbe und Lauten tauchen die Musik in eine sinnliche und suggestive Aura. Eine CD, die man öfter anhört, um sich das Kyrie, das Sanctus oder Agnus Dei herauszupicken. Dann kann man in Muße die Feinheiten dieser eben doch emotionalen Musik genussvoll erspüren.