Wasserburger Klaviersommer

Vom Leistungskonzept zur Authentizität

von Redaktion

Junge Interpreten zeigen beim Abschlusskonzert beeindruckende Leistungen

Wasserburg – Mit dem „Marathon“ ging der Wasserburger Klaviersommer zu Ende, dieses einmalige und alljährliche Kulturereignis der Innstadt. Unglaublich, was da geleistet wurde, und dies war nicht nur beim „Marathon“ offenkundig – wo wegen verständlicherweise allgemeiner Ermüdung manch großes Können nicht mehr ganz zur Geltung kam – sondern unter der Woche bei den Abendkonzerten, die dem Zuhörer vielleicht die wesentlicheren Erkenntnisse vermittelten.

Auch das Durchhaltevermögen von Lehrern und Schülern in der Hitze der Tagesarbeit verdient Respekt! Dabei war ein Großteil der Seminaristen dem Ansehen nach noch Teenager – aber man mag sich bei den asiatischen Teilnehmern auch irren.Doch nicht von Leistungen allein sei die Rede, von dem, was sich junge Menschen mit emsigem Fleiß abgetrotzt haben (und was gerne so allgemein zählt: Kraftakte, Tastenanschläge pro Sekunde ..). Es sei die Rede von „Authentizität“, von dem, was gewachsen, was echt ist, und das Reife und mitunter Begnadetsein zum Ursprung hat. Dort, wo der Spieler, die Spielerin, eins ist mit dem Komponisten und wo doch das Selbst des Interpreten zum Blühen kommt.

Da wird Bachs E-DurSuite nicht historisierend „entschlackt“, sondern dem Ton Entfaltung gegönnt. Und trotzdem: Solche Bach-Interpretation wurde in sich stimmig, weil dieser Spieler aus Mexiko ganz sich selbst in die Waagschale gab, wie auch bei Mozarts h-Moll-Adagio, bei Beethovens selten gespielter Fis-Dur-Sonate.

Dies ist ein Beispiel für viele andere: Eine Asiatin, die sich die so fordernden „Sinfonischen Etüden“ Schumanns zu eigen machte; der Rumäne, der dem Schlusssatz der „Waldsteinsonate“ Kompromisslosigkeit und Poesie zugleich verlieh; die Schubertsche G-Dur-Sonate, die im ersten Satz wie zeitlos präsentiert wurde (und was machte es aus, wenn an solchem Anspruch des Komponisten dann am Ende die Spannung nachließ); die Klavierstücke op. 118 von Brahms, energisch im Zugriff und zugleich lyrisch, endzeitlich abgehoben das letzte Stück in es-Moll. Ja, und in Rachmaninows Corelli-Variationen regierte kein billiger Klavierdonner, nein, in sensiblem und dann wieder knallhartem Anschlag offenbarte sich russische Seele. Man zieht den Hut angesichts solcher Einfühlung und Reife!

Könnte es sein, dass die Auswahl der Stücke, welche der Inhalt der Lehrwoche waren – über die Hälfte war der Klassik und der klassischen Romantik vorbehalten – ein Spiegel des Trends zur Abkehr vom Leistungsgedanken allein hin zur individuellen Authentizität war? Eine Beethovensonate op. 110, die Liszt’sche h-Moll-Sonate, ja, das sind Werke, die ganz besondere Reife voraussetzten.

Kindliche Freude am Gelingen, aber auch Betroffenheit, wenn sie mit sich nicht zufrieden waren, war den Spielern beim Verlassen des Podiums anzusehen. Eine große Last war jetzt von ihnen gewichen! Und was die Zuhörer betrifft, da möchte man die intensiven Pausengespräche auf dem Vorplatz des Saales nicht missen. So entwickelte sich dieser Kulturtermin auch zu einem kommunikativen und gesellschaftlichen Ereignis Wasserburgs.

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