Das Erforschen der Bezeichnungen für Anhöhen, Berge und Hügel gleicht manchmal tatsächlich einer Berg- und Talfahrt: Einerseits stößt man hier auf längst verschüttete und vergessene Begriffe; andererseits gibt es für ein gesichertes, auch heute noch verständliches Wort für eine Anhöhe – zunächst – kein reales Beispiel. So steht Lechen oberhalb von Brannenburg für die erstere, Birkl bei Niederaudorf für die letztere Beobachtung.
Der Weiler Lechen, der sich in der Gemeinde Brannenburg befindet, liegt an der Bergstraße kurz vor dem Parkplatz am Sulzberg, von dem aus die Bergwanderer entweder in Richtung Schlipfgrub-Alm und Schuhbräu-Alm oder in Richtung der Gasthöfe Kogl und Schweinsteig marschieren können. Der Ortsname „Lechen“ erinnert an den Familiennamen „Lechner“. So heißt auch der Bauernhof dort „bein Lechner“ oder, auf bairisch und kurz gesagt, „z‘Lech“. Ein Lechner ist, wie der Namenforscher Karl Finsterwalder in „Tiroler Familienkunde“ erklärt, im Mittelalter der Inhaber eines Lehens gewesen. Dies war ein „nicht eigenes, einer Grundherrschaft pflichtiges Bauerngut“.
Natürlich spielte es keine Rolle, ob ein solches Gut im Tal oder auf einer Anhöhe lag. Der Bergbegriff ist im heutigen Namen des Lechnerhofs schlicht und einfach verloren gegangen.
Lechen hieß 1280 nämlich Pertzpuhel. Erst 1533 wird im Oberbayerischen Archiv ein „Bernhard Lechner am Paerzenbühel“ erwähnt, ebenso wie der „Lechnerhof am Parzenbichl“. Der Ortsnamenforscher Hans Meixner stellt Pertz, Paertz und Parz zu „Borzen (Baerzn), etwas Hervorstehendes“. Dabei beruft er sich auf Johann Andreas Schmellers „Bayerisches Wörterbuch“. Schmeller erwähnt hier unter anderem den Scher-Borzn, den Maulwurfshügel also, sowie den „Haarknoten, wenn die Haare zusammengebunden und um eine Haarnadel gewunden sind“. Jeder Sulzberg-Wanderer kann diese alte Bezeichnung nun anhand der Realprobe beurteilen!
Für den Begriff „Birkel“ gibt Hans Meixner als Beispiel ein Birkel bei Niederaudorf an. Nur: Dieses ist in den heutigen Dokumenten zum Landkreis Rosenheim nicht (mehr) zu finden. Auch die Gemeinde Oberaudorf konnte uns zu Birkel keine Auskunft erteilen.
Zum Glück gibt es die Chronik „Unser Audorf““. In ihrem ersten Teil von 1980 schreibt Fritz Bauer: „Birkl liegt fast eine Gehstunde über Niederaudorf am Großen Berg in einer Höhe von 300 m über dem Tal. Es steckt darüber hinaus über einem steilen Bergwaldgelände und ist nicht ohne weiteres einzusehen.“ Fritz Bauer betont hier zu Recht den Zufluchtscharakter eines „Birkl“, bei dem schon im Namen das „Bergen“ von Mensch und Vieh aus einer Gefahr enthalten ist. Denn Birkl, 836 als „ad Pirgiline“ überliefert, ist aus zwei Wortformen zusammengesetzt: Aus „Birk“ oder „Birg“, das an „Gebirge“ erinnert und von „Berg“ abgeleitet ist, und der Verkleinerungssilbe -lein, die damals -lin (mit langem i) lautete und später zu -l verkürzt wurde. Heute würden wir „Bergl“ oder „Bergerl“ sagen. Oder verwendet noch jemand in unserer Region die Begriffe Birkl und Borzn?