Neubeuern – Dieser Klavierabend bei den Schlosskonzerten in Neubeuern war ein Erlebnis. Mit ihrem zugleich kraftvoll-virtuosen und einfühlsamen Spiel bannte Anna Vinnitskaya das Publikum bis zum letzten Takt. Für das Programm hatte die russische Pianistin Werke von Tschaikowsky, Schostakowitsch, Prokofieff und die 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin ausgewählt.
Den Auftakt machten „Die Jahreszeiten“ op. 37b von Peter Tschaikowsky, zwölf intime Stimmungsbilder, von denen die Pianistin die ersten vier Monate erklingen ließ. Wirbelnde Dramatik dominierte den Februar mit seinem bunten Karnevalstreiben, während im März zarte Lyrismen eine bezaubernde Klangwirkung ausübten. Mit ihrem perlend-klaren, geschmeidigen Anschlag erzeugte Anna Vinnitskaya eine Atmosphäre duftiger Zartheit.
Voller humoristischer Ausdruckskraft waren die „Sieben Puppentänze“ von Schostakowitsch. Die Pianistin entzückte die Zuhörer mit einer enormen spielerischen Leichtigkeit. Auf den beschwingten Walzer und eine stakkatoreiche Gavotte folgte eine verträumte Romanze, die Anna Vinnitskaya mit geschlossenen Augen zu Gehör brachte. Die Polka spielte sie rhythmisch keck, den Walzer und den abschließenden Tanz, bei dem man sich die Trippelschritte der Puppe bildhaft vorstellen konnte, mit atemberaubender Rasanz.
In der c-Moll Sonate Nr. 4 von Prokofieff schien Anna Vinnitskaya mit dem Flügel zu verschmelzen. Ernste, harte und wuchtige Akkorde wechselten mit lichten, sanften Passagen, auf die im Allegro con brio, ma non leggiere eine Fülle farbiger Figurationen folgte. Die Pianistin interpretierte den packenden Klangkosmos des russischen Komponisten mit einer faszinierenden Einfühlung.
Die im Ausdruck und Charakter kunst- und kontrastreichen 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin spielte Vinnitskaya mit einer den Atem nehmenden drängenden Leidenschaft, einer fesselnden Farbigkeit und einem Nuancenreichtum, der Staunen und Bewunderung hervorrief. Von anmutig-leiser Melodik über hektische Erregung bis hin zu stoßartigen, weich ausklingenden Rhythmen schuf sie ein virtuoses Klangwunder, das Chopin nicht glanzvoller hätte spielen können. Nach stürmischen Ovationen schenkte Vinnitskaya dem Publikum noch zwei Zugaben, darunter zur Beruhigung der aufgewühlten Gemüter „Von fremden Ländern und Menschen“ aus den Kinderszenen von Robert Schumann.