Hören und Sehen

von Redaktion

Erstes Konzert der „Inntaler Klangräume“ in der Kirche St. Martin in Flintsbach

Flintsbach – Im ersten der drei „Klangraum“-Konzerte gab es nicht nur Erlesenes zu hören, sondern auch Unerhörtes zu sehen, denn es war ein „Klangraum“-Musiktheater: Da schwebt, hoch überm barocken Altar ein riesiges Flügelpaar. Den Blick in den Altarraum, also zu Podium und Bühne, verwehren zunächst felsige Formationen. Das berühmte, düster-edle „Miserere“ von Gregorio Allegri klingt aus dem Off. Die in ihrer Struktur raffiniert gestalteten Felsen laden jedoch zu meditativer Betrachtung ein, sie sind weniger Kulissen als veritable Kunstobjekte. Erst zum Kurzoratorium „Historia di Abraham et Isaac“ von Giacomo Carissimi werden die Berge beiseitegeschoben, und die Sicht wird frei auf die alttestamentarische Szene und die Akteure.

Andreas Legath, weithin bekannter bildender Künstler, ist auch von der Musik besessen und hat sich mit den „Inntaler Klangräumen“ einen Traum erfüllt. Er malt und fertigt das Bühnenbild, führt Regie und dirigiert. Es ist ihm gelungen, nicht nur schlüssige Konzepte für seine Visionen zu finden, sondern auch ein hochprofessionelles „Festival-Ensemble“ um sich zu scharen, Mitstreiter, ja Mitverschworene! Das instrumentale Klangbild wurde bereichert durch Harfe, Truhenorgel, Theorbe und Cembalo. Zudem brillierte Anita Mitterer als fulminante Soloviolinistin.

Das Programm oder besser der musikdramaturgische rote Faden thematisiert die Auferstehung, das österliche „Resurrexit“. Das eingangs erwähnte „Miserere“ weist wie die folgende Toccata von Girolamo Fescobaldi (Orgel: Kaori Mune-Maier) noch auf die Kar-Tage zurück, ein Kyrie Mozarts im Stil der alten Italiener und ein Sonatensatz von Corelli tasten sich vor zu Licht und befreiender Heilsgewissheit.

„Abraham und Isaac“: Die verhinderte Abschlachtung des eigenen Sohnes wird traditionell als eine Vorwegnahme des Ostergeschehens gedeutet. Erzähler (Manuel Warwitz)) und Engel (Priska Eser), sowie Andreas Hirtreiter als Abraham und der noch sehr junge, aber tapfer-beherzte Oskar Mitterer als Isaac traten in Kostümen auf, die artifiziell stilisiert, keinen Gedanken an naives „Krippenspiel“ aufkommen ließen! Die textile Ausstattung besorgten Angelika Hubner und Andreas Legath. Kein noch so winziges Detail überlässt Legath dem Zufall; jede Kleinigkeit war „komponiert“ und sinnvoll ins Ganze eingefügt. Der Künstler ist – man kennt das von seinen Bildern – durch und durch ein hochsensibler Ästhet!

Johann Pachelbel bietet dann mit „Christ ist erstanden“ neutestamentlichen Klartext, von Priska Eser stimmlich berückend in Szene gesetzt.

Wie verirrt sich die einst als avantgardistisch eingestufte „Sequenza“ für Solo-Stimme von Luciano Berio in diesen thematischen Kontext? Legath verwies in seiner Einführung auf das „Ostergelächter“, und tatsächlich brilliert Sabine Lutzenberger mit artistisch anmutenden Lachsalven. Die Solistin kam aus dem Dunkel des Kirchenraums nach vorne, ihre Kopfbedeckung glich einer Krone aus Schilf und wehenden Gräsern (oder züngelnden Schlangen?) und ihr sängerisches Potential war den irrwitzigen Anforderungen des Komponisten spielend gewachsen. Mag das Notenbild noch so sehr verwirrenden Hieroglyphen ähneln, der Vortrag selbst wirkte so fließend und natürlich (Berio war halt doch ein in heimischer Sangestradition groß gewordener Italiener!) und irritierte keinen Augenblick das atemlos lauschende Publikum.

Der legendenumwobene Palestrina ist alles andere als ein konservativer Langweiler orthodox katholischer Kirchenmusik: Mit drei lateinischen Motetten trieb nun der Chor (golden gewandet wie Sarastros Priester) das „Theatrum sacrum“ zu einem berauschenden Höhepunkt. Die Spannung im voll besetzten Kirchenraum war nicht mehr zu überbieten. Aber dann barst sie in einem lang anhaltenden und enthusiastischen Applaus.

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