Masken, selbst gebaute Instrumente und Collage-Musikpartituren sind in einem Raum zu sehen.Foto effner
Traunstein – Von der gezielten Provokation und der Befreiung von bürgerlichen Konventionen zur international gefragten Künstlerin für experimentelle Musik: Anlässlich des kommenden 50. Jahrestags der „wilden 68er-Jahre“ und des 75. Geburtstags von Limpe Fuchs widmet sich die aktuelle Arts-Akzente-Ausstellung in der Alten Wache in Traunstein dem Lebenswerk der „Komponistin akustischer und visueller Ereignisse“, wie sie sich selbst nennt. Als letzte eines progressiven Künstler-Kollektivs wohnt Fuchs heute noch im Alten Pfarrhof in Peterskirchen. Dort begann die studierte Schulmusikerin und Percussionistin vor 50 Jahren zusammen mit ihrem Mann, dem Bildhauer Paul Fuchs, mit der gattungsübergreifenden Revolutionierung überkommener Vorstellungen von Kunst, Theater und Musik.
Ein Dokumentarfilm, Fotos, Artikel, Plakate, Masken und weitere Originale lassen einen lebhaften Eindruck davon entstehen, wie neuartig und bahnbrechend es vor einem halben Jahrhundert war, eigene Instrumente aus Holz, Metall oder Stein zu konstruieren und in provokativen Auftritten mit rein experimentellen Ansätzen der Klang- und Geräuscherzeugung gleich noch mit den Regeln des Musik- und Konzertbetriebes zu brechen. Das freie Improvisieren und lautmalerische Schreie bei den Vorführungen des „Anima“-Duos Paul und Limpe Fuchs waren dabei nicht weniger revolutionär wie Auftritte mit barbusigem und bemaltem Oberkörper, etwa im legendären Undergroundkonzert im Münchner Circus Krone.
Im Ausloten neuer Möglichkeiten zwischen Geräuschen, Lautmalereien und Musik kam auch dem engen Kontakt und Austausch mit dem Publikum ein zentraler Stellenwert zu. Nicht vergessen werden darf, dass die damalige deutsche Rockmusikszene ebenfalls sehr experimentierfreudig war, was „Krautrockbands“ wie Amon Düül, Guru Guru oder Can belegen.
Befreiung in
Kunst und Musik
Die Befreiung in Kunst und Musik ging für Paul und Limpe Fuchs – parallel zur Studentenrevolution – Hand in Hand mit einem Lebensgefühl, das gegen den sprichwörtlichen Mief der 50er-Jahre aufbegehrte. Es setzte sich gegen die Konsumorientiertheit, bürgerliche Konventionen und die Verklemmtheit der Wirtschaftswunderzeit ebenso zur Wehr wie gegen die Kommerzialisierung der Musik oder die Verdrängung von Faschismus, Holocaust und Drittem Reich.
Dass der Ansatz von Limpe Fuchs keine Eintagsfliege war, sondern ihren Ruf als ernstzunehmende Ausnahmekünstlerin beständig gefestigt hat, zeigen die Zusammenarbeit mit Musikern wie Friedrich Gulda oder Albert Mangelsdorff ebenso wie zahlreiche internationale Engagements. Als Komponistin akustischer und visueller Ereignisse, die vollkommen in und durch die Musik lebt, sprengt sie nach wie vor Gattungsgrenzen, verdichtet Klang-Konzerte mit Performances, Masken und Tanz zu eindrücklichen Hör-Bildern und schafft kreative Räume für den vom Moment bestimmten, unmittelbaren Austausch der Musiker. Die Überraschungsmomente und Energien der Klangwelten laden den Zuhörer ein, Wahrnehmungsschemata zu durchbrechen und sich für neue Erfahrungen zu öffnen.
Limpes ganzheitlicher Ansatz kommt auch in ihren Collagen zum Ausdruck, die die Ausstellung in der Alten Wache zeigt. Sie können als freie Musikpartituren gelesen werden, entfalten aber auch als autonome Kunstwerke eine eigenständige Kraft.
In gleicher Weise galt ihr unermüdlicher Einsatz auch der Kunst und Kultur im Chiemgau. Ihre zahlreichen ungewöhnlichen Auftritte in der Traunsteiner Klosterkirche zeugen von ihrer kreativen Energie und guter Vernetzung in internationalen Musikerkreisen.
Von daher ist es nur konsequent, wenn die Kulturfördervereiniung Arts in der Ausstellung „Trampelpfad. Nomainroad“ mit einem Ausstellungskatalog inklusive CD an das umfassende Lebenswerk von Limpe Fuchs erinnert.