LESER FRAGEN – EXPERTEN ANTWORTEN

Zwei Erben, eine Wohnung

von Redaktion

Alice M.: „Ich bin 80 Jahre alt, besitze eine selbst genutzte Eigentumswohnung und habe zwei Kinder, beide kinderlos und ledig. Mein Sohn hat auf seinen Pflichtteilsanspruch (notariell beglaubigt) verzichtet und lebt weit weg. Meine Tochter möchte die Wohnung im Erbfall selbst nutzen. Um mein Erbe zu regeln, möchte ich die Wohnung auf meine Tochter übertragen (mit lebenslangem Wohnrecht für mich) oder sie bereits jetzt als Mit-Eigentümerin im Grundbuch eintragen lassen. Mein Sohn würde finanziell abgefunden werden. Wozu können Sie mir raten, damit alles glatt geht?“

Ihr Sohn hat auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichtet. Daraus lässt sich entnehmen, dass offensichtlich die Absicht bestand, dass Ihr Sohn von Ihrem Nachlass und damit auch Ihrer Eigentumswohnung nichts bekommen soll. Um nun dieses Ziel erreichen zu können, müssten Sie Ihren Sohn durch Testament enterben, indem Sie Ihre Tochter zur Alleinerbin einsetzten. Ein Pflichtteilsverzicht beseitigt nämlich nicht das gesetzliche Erbrecht des Pflichtteilsberechtigten. Erst nach testamentarischer Enterbung kann Ihr Sohn von Ihrem Nachlass und damit auch Ihrer Eigentumswohnung keine Abfindung mehr fordern. In der Praxis wird bereits im Rahmen der Pflichtteilsverzichtserklärung als Gegenleistung eine Abfindung bezahlt.

Falls Sie die Wohnung bereits zu Lebzeiten auf Ihre Tochter übertragen, sollten Sie sich ein Nießbrauchsrecht vorbehalten. Im Unterschied zum Wohnrecht hätten Sie dann auch die Möglichkeit, die Wohnung zu vermieten und den Mietzins zu beziehen. Wenn Sie zum Beispiel in ein Seniorenheim oder Pflegeheim ziehen, könnten Sie durch die Mieteinnahmen die Heimkosten entsprechend abdecken.

Auch wenn Sie Ihrer Tochter nur ein Miteigentum an der Eigentumswohnung zu Lebzeiten einräumen, sollten Sie sich absichern. Ansonsten hätte Ihre Tochter Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe des halben Mietzinses. Jedenfalls rate ich Ihnen – selbst bei Erstellung eines eigenhändigen Testaments – zuvor eine eingehende anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die korrekte testamentarische Formulierung vornehmen zu können.

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