LESER FRAGEN – EXPERTEN ANTWORTEN

Schenkung nur bedingt möglich

von Redaktion

Monika P.: „Mein Vater ist vergangenes Jahr verstorben. Meine Eltern lebten in Zugewinngemeinschaft, meine Mutter hat immer gearbeitet. Sie haben ein Berliner Testament gemacht. Meine Schwester ist vor zehn Jahren gestorben, sie hinterlässt zwei Söhne. Nach dem Tode meiner Mutter gilt die gesetzliche Erbfolge. Nun möchte meine Mutter mir einen größeren Geldbetrag schenken. Sie ist ja im Moment Alleinerbin des gesamten Vermögens. Nun meine Frage: kann sie mir ohne Weiteres einen bestimmten Betrag schenken? Die Hälfte des gemeinsamen Vermögens gehört ja ihr. Kann sie nach wie vor frei darüber verfügen?“

Über sein Vermögen kann jeder verfügen, wie er will. Er kann sein Vermögen auch verschenken. Diese „Verfügungsfreiheit“ ist für den überlebenden Ehegatten eingeschränkt, wenn beide Ehegatten durch ein sogenanntes Berliner Testament eine nahestehende Person als Schlusserben eingesetzt haben. Ihre Angaben verstehe ich so, dass durch Berliner Testament die „gesetzlichen Erben“, mithin die Abkömmlinge, zu Schlusserben bestimmt wurden. Dann ist es Ihrer Mutter verwehrt, durch neues Testament einen anderen Schlusserben zu bestimmen – ein neues Testament wäre unwirksam.

Auf der anderen Seite bleibt dem überlebenden Ehegatten die Freiheit erhalten, „zu Lebzeiten“ frei zu verfügen, also auch Schenkungen vorzunehmen. Lässt sich also das Testierverbot durch lebzeitige Schenkungen umgehen? Nur bedingt: solche Schenkungen sind für den Beschenkten risikobehaftet. Die anderen Abkömmlinge könnten argumentieren, dass die Schenkung Ihrer Mutter an Sie deshalb erfolgte, um sie zu benachteiligen, denn das Nachlassvermögen wird ja durch die Schenkung vermindert. Mit dem Argument der Benachteiligungsabsicht könnten die anderen Schlusserben nach Paragraf 2287 Bürgerliches Gesetzbuch – nach dem Tod der Mutter – die Herausgabe des Schenkungsgegenstands verlangen. Die zunächst zulässige Schenkung wäre nicht von Dauer.

Andererseits gibt es durchaus Gründe, die eine Schenkung rechtfertigen und bestandsfest machen; man spricht von billigungswürdigem „lebzeitigen Eigeninteresse“ des Schenkers. Der Bundesgerichtshof hat es beispielsweise als anzuerkennendes Eigeninteresse akzeptiert, wenn der Erblasser mit der Schenkung seine Altersvorsorge oder Pflege sichern oder verbessern möchte. Stets ist aber eine Gesamtabwägung vorzunehmen, weshalb die Verwirklichung des Ziels, durch eine Schenkung lebzeitiges Eigeninteresse zu verfolgen und gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Schlusserben zu vermeiden, einer Gratwanderung gleicht. Die Rechtslage ist schwierig und bedarf der genauen Betrachtung im Einzelfall. Wer bei Existenz eines Erbvertrages oder eines gemeinschaftlichen Testaments eine Schenkung plant, sollte sich deshalb durch einen Notar oder Anwalt genau beraten lassen, ob eine Bindungsverpflichtung gegenüber Schlusserben besteht und welche Optionen offenstehen.

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