Mit Ihrer Frage sprechen Sie eines der häufigsten Probleme des Pflichtteilsrechtes an. Um zu vermeiden, dass der Pflichtteil durch Schenkungen zu Lebzeiten zu sehr ausgehöhlt wird, hat der Gesetzgeber einen Pflichtteilsergänzungsanspruch eingeführt. Hierbei gilt das sogenannte Abschmelzungsprinzip: Schenkungen aus dem letzten Jahr vor dem Tod zählen voll bei der Berechnung des Pflichtteils mit, Schenkungen aus dem vorletzten Jahr zu 90 Prozent, aus dem Jahr davor zu 80 Prozent usw., sodass Schenkungen, die länger als zehn Jahre zurückliegen, für den Pflichtteil keine Rolle mehr spielen. Aber von diesem Grundsatz gibt es eine wichtige Ausnahme, die nicht im Gesetz steht, jedoch ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist: Wenn sich der Schenker wesentliche Rechte vorbehalten hat, insbesondere den Nießbrauch, dann läuft die 10-Jahres-Frist nicht und es gibt auch keine Abschmelzung. Dies bedeutet, dass auch die Schenkung Ihres Elternhauses beim Tod Ihres Vaters zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen kann, selbst wenn Jahrzehnte vergangen sind. Dies hängt davon ab, inwieweit sich Ihr Vater bei der Schenkung Rechte vorbehalten hat.