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Streitpunkte um Eis und Schnee

von Redaktion

von lars becker

Mitten im vergangenen Sommer entschied das Amtsgericht München einen kuriosen Nachbarschaftsstreit rund um das Thema Schnee. Ein Grundstückseigentümer hatte geklagt, weil ein Nachbar beim Räumen Schnee auf sein Grundstück geschaufelt hatte. Das Gericht urteilte, dass das gelegentliche Ablagern von ein bis zwei Schaufeln Schnee keine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums darstellt (Urteil vom 20.07.2017, Az. 213 C 7060/17). Schließlich handele es sich bei dem mit Absicht auf das Grundstück des Nachbarn beförderten Schnee lediglich um einige Liter Wasser, welche irgendwann selbstständig schmelzen würden.

Räumpflicht ab 7 Uhr morgens

Dieser kuriose Streit zeigt: Schnee kann durchaus rechtliche Probleme bereiten. Besonders häufig gibt es Streit um das Räumen von Gehwegen im Winter. Dafür gibt es von den Gemeinden und Städten rechtliche Vorgaben. In München zum Beispiel sind alle Grundstückseigentümer verpflichtet, von Montag bis Samstag in der Zeit von 7 bis 20 Uhr (am Sonn- und Feiertag ab 8 Uhr) den Gehweg von Schnee frei zu halten, bei Glätte mit Sand oder Splitt zu streuen und das Eis zu beseitigen. Aus Umweltschutzgründen darf kein Salz verwendet werden. Ausgenommen von der Streupflicht auf Gehwegen ist nur das Vollanschlussgebiet, das ungefähr die Fläche innerhalb des Mittleren Ringes sowie den Kernbereich von Pasing umfasst. Dort übernimmt der Winterdienst der Stadt München die Arbeit – genau wie in Spielstraßen und Fußgängerzonen im gesamten Stadtgebiet.

Geldbuße und Schadenersatz

Wer seinen Räum- und Streupflichten nicht nachkommt, riskiert eine Geldbuße. Falls Fußgänger zu Schaden kommen, kann der Grundstückseigentümer haftbar sein und muss mit rechtlichen Konsequenzen wie Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen rechnen. Absichern kann man sich mit einer Grundbesitzerhaftpflichtversicherung – diese verweigert aber unter Umständen die Zahlung, wenn man vorsätzlich nicht räumt.

Verantwortlich für die Schnee- und Eisbeseitigung ist der Hauseigentümer. Bei Mehrfamilienhäusern oder Eigentumswohnanlagen sorgt meist die Hausverwaltung oder der Hausmeister für einen professionellen Winterdienst. Mieter können nur zum Schneeräumen verpflichtet werden, wenn das von Anfang an im Mietvertrag wirksam vereinbart wurde.

Fußgänger müssen sich auf vereisten Wegen übrigens – auch rechtlich gesehen – besonders in Acht nehmen. Das Oberlandesgericht Jena (Az.: 4 U 646/04) gab einem Fußgänger, der auf einem vereisten Gehweg ausrutschte und dabei einen Fußbruch erlitt, ein Mitverschuldensanteil von 50 Prozent. Zeugen hatten beobachtet, dass sich der verunglückte Passant nicht besonders vorsichtig oder langsam fortbewegt hatte.

Vorsicht vor Dachlawinen

Auch Dachlawinen und Eiszapfen können eine Gefahr darstellen. Ob Grundstückseigentümer Schneefanggitter auf dem Dach installieren müssen, ist in den örtlichen Bauvorschriften unterschiedlich geregelt. In München ist es zum Beispiel nicht vorgeschrieben. In schneereichen Gebieten genau wie bei Dächern mit mehr als 45 Grad Neigung (LG Ulm, Urteil vom 31.5.2006, 1 S 16/06) werden Schutzmaßnahmen rechtlich allgemein als erforderlich erachtet. In diesem Fall sind Grundstückseigentümer auch durch ein Schild („Vorsicht Dachlawinen“) nicht von der Haftung befreit, wie Haus und Grund München mitteilt. Wer Schneefanggitter auf dem Dach anbringt, kann nicht für Dachlawinen haftbar gemacht werden. Das Amtsgericht München wies die Klage eines Autofahrers ab, dessen Pkw durch vom Dach herunterfallenden Schnee erheblich beschädigt wurde (AG München, Urteil vom 11.3.2014, 274 C 32118/13).

Schneeballschlacht mit Folgen

Auch bei Schneeballschlachten kann man sich verletzen oder Autos beschädigen. Für einen möglichen Schaden aufkommen muss man, wenn man vorsätzlich handelt. Also zum Beispiel bewusst mit einem gefrorenen Schneeball auf die Augen eines anderen zielt und somit eine Verletzung in Kauf nimmt. Kinder unter sieben Jahren sind grundsätzlich deliktunfähig und können nicht haftbar gemacht werden. Die Eltern dagegen schon, wenn sie die Aufsichtspflicht verletzt haben. Laut BGH-Urteil muss zum Beispiel ein fünfjähriges Kind in Abständen von höchstens 30 Minuten kontrolliert werden. Bei Kindern über sieben sind die Eltern ebenfalls in der Haftung und sollten unbedingt über eine private Haftpflichtversicherung für die ganze Familie abgesichert sein.

Ein Sonderfall ist nach Informationen der Arag eine Schneeballschlacht auf dem Weg zur oder in der Schule: Dann kommt die gesetzliche Unfallversicherung für Verletzungen auf. Auch Autos werden ab und an von Schneebällen getroffen – dann sollte man als Fahrer auf jeden Fall die Nerven behalten. Das Amtsgericht Ludwigsburg verurteilte im vergangenen Sommer einen Paketfahrer zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, weil er einen 13-Jährigen aus Frust über einen verirrten Schneeball in sein Fahrzeug gezerrt und „entführt“ hatte. Der Junge konnte sich selbst befreien.

Wenn Schilder unsichtbar werden

Im Straßenverkehr kann der Schnee nicht nur durch Schneebälle oder eisglatte Straßen für Probleme sorgen. Wenn zum Beispiel Verkehrsschilder zugeschneit sind, können sie unter Umständen ungültig sein. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss im Jahr 2010 (III-3 RBs 336/09) entschieden, dass für Verkehrsschilder der Sichtbarkeitsgrundsatz gilt. Das gilt allerdings speziell für ortsunkundige Fahrer. Wenn Verkehrsschilder allein durch ihre Form erkennbar sind – zum Beispiel das Stoppschild – sind sie auch im verschneiten Zustand unbeschränkt gültig. Natürlich gilt das auch für das Tempo-50-Gebot in Städten. Wenn man sein Auto im Schneetreiben in einer Parkscheiben-Zone abstellt, ist man übrigens nicht verpflichtet, regelmäßig die Windschutzscheibe zu kehren, um Politessen freien Blick zu gewähren. Wer trotzdem ein Knöllchen bekommt, sollte Widerspruch einlegen. Allerdings können die Ordnungskräfte den Schnee vorsichtig von der Frontscheibe entfernen. Geht dabei zum Beispiel der Scheibenwischer kaputt, müssen sie allerdings für den Schaden aufkommen.

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