Zum Bericht „Lautstarke Demo gegen Brenner-Nordzulauf“ im Regionalteil sowie zu Leserbriefen:
Plakate von Landwirten konnte man auf der Demo gegen die Brennertrasse mit Aufschriften sehen wie: „Unser Essen wächst nicht auf Schienen“ oder „die Bahn frisst unseren Lebensraum. Das hört sich so an, als wenn die Deutsche Bahn die ganze landwirtschaftliche Nutzfläche enteignen würde. Man fragt sich schon, woher diese verrückten Weisheiten kommen. Warum orientieren sich die Bayern nicht an ihren österreichischen Kollegen, die mit der österreichischen Bahn verhandelt hatten, die Schienen unter die Erde zu verlagern? So gibt es keinen Lärm für die Anwohner und es werden auch keine landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch genommen. Bei 90 Prozent der Strecke verläuft das dritte und vierte Gleis im oberen Tiroler Inntal 22 Meter unter der Erde. Das wäre auch bei uns machbar. Es braucht also kein Landwirt um seine Flächen Angst zu haben. Anstatt gegen den Ausbau der Infrastruktur zu demonstrieren, sollten sie für eine bessere Infrastruktur kämpfen. Es geht nur noch um die Verbindung zwischen Kufstein und Grafing, bis dahin wurde der Schienenausbau auf vier Gleisen schon vollendet. Vielleicht sollten sich die Inntaler mal mit der Bürgerinitiative Bahnlärm Mittelrheintal in Verbindung setzen, um von den Rheinländern etwas zu lernen. Dort will man das Rheintal entlasten, indem man die Trassen in einen Tunnel verlegt und auch in München, wo die Bürgerinitiative München-Ost sich auch für eine Untertunnelung einsetzt. Die Bahn wird seit der Privatisierung wie ein Betrieb und nicht eine Dienstleistung des Staates für das Land betrieben. Deshalb will sie Kosten sparen und die Bürger müssen von der Politik die Finanzierung der Tunnel verlangen. Die Österreicher haben bewiesen, dass dies geht.
Gerald Strickner
Kolbermoor
Der Blick auf die Fakten derzeit und in zehn Jahren lässt mich am gesunden Menschenverstand der Verkehrsplaner zweifeln: 2018 wurden über die Alpen rund 117 Millionen Tonnen Güter transportiert. Davon gingen gut 95 Millionen Tonnen über Österreich und die Schweiz. 2028 werden in beiden Ländern, vorausgesetzt der Brennerbasistunnel geht bis dahin in Betrieb, Kapazitäten von 140 Millionen Tonnen allein auf der Schiene zur Verfügung stehen. Das alles ohne die bayerischen Neubaugleise im Inntal, denn hier soll ja erst mit dem Bau begonnen werden. Im Einzelnen sind das 60 Millionen Tonnen über Simplon und Gotthard, rund 50 Millionen Tonnen über den Brenner und 35 bis 40 Millionen Tonnen über drei Strecken von Salzburg, Linz und Wien nach Villach – Tarvisio – Triest beziehungsweise Venedig. Brauchen wir dann keine Lkw mehr? Das ist natürlich völlig unrealistisch, denn das Bahnsystem wird auch 2028 für viele Transporte immer noch zu unflexibel sein. Außerdem wird die Gütermenge nicht mehr wirklich entscheidend anwachsen. Wenn wir die 70 Prozent Anteil der Schiene beim Güterverkehr, wie sie die Schweiz erreicht hat, bekommen, dann wäre das ein Wunder. Wir haben 2028 also gewaltige Überkapazitäten auf Schiene und Straße für die Güter. Die können wir für den Personenschienenverkehr nutzen, denn wir werden uns einen so aufwendigen Lebensstil wegen des Klimawandels und des überbordenden Rohstoffverbrauches eh nicht mehr leisten können.
Michael Bachleitner
Brannenburg
Der notwendige Bedarf wird immer hinterfragt. Wenn wir uns ansehen, was Österreich schon jetzt veranstaltet, wird das nach Fertigstellung des Brennerbasistunnels sicher noch ganz andere Dimensionen annehmen. Die Bestandsstrecke so auszubauen wird immer nur Flickwerk bleiben. Wir Anlieger an der Bestandsstrecke bleiben unserem Schicksal überlassen, mit eventuell mal einem „Zuckerl“ Schallschutz. Die Bahnanlage ist durch den hohen Bahndamm wohl auch eher überaltert. Alles soll moderner und energieeffizienter werden und dann wird am Alten und Gestrigen festgehalten. Ein wirkungsvoller Nahverkehr und vorausschauende, machbare Planungen für den Fernverkehr, die die Umwelt schonen und zukunftsorientiert sind, sind Aufgaben die es anzugehen gilt. Vielleicht kann man sich ja dann eine Verbreiterung der Autobahn sparen.
Irmgard Eisner
Rosenheim
In der Diskussion um den Brenner-Nordzulauf sollten alle Beteiligten einige überprüfbare Fakten zur Kenntnis nehmen. Der Bedarf für eine Neubaustrecke ist nicht nachgewiesen. Die von Minister Scheuer im Januar 2019 vorgelegte „Szenarienstudie“ ist selbst nach Aussage der Deutschen Bahn „hoch spekulativ und schlicht unseriös“. Selbst mit unrealistisch hohen Wachstumsraten wird die Kapazität der Bestandsstrecke von dort genannten 352 Zügen pro Tag nicht überschritten. Die Kosten einer Neubaustrecke liegen weit über dem zu erwartenden Nutzen. Eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums 2017 vorgelegte Studie ergibt nur knapp 80 Prozent Nutzen – und das ohne Berücksichtigung der erheblich höheren Kosten von Tunneln. Ein vierspuriger Nordzulauf macht nur Sinn, wenn auch der Südzulauf vierspurig wird. Dort bleibt es aber auf absehbare Zeit bei zwei Spuren. Im offiziellen Dokument „Scan Med Corridor Alpenraum“ wird für den größten Teil der Strecke Waidbruck-Verona von einer „bedarfsorientierten Realisierung nach 2030“ gesprochen. Laut offiziellem Dokument „Bedarfsplanüberprüfung Bundesschienenwege“ liegt der Nutzen einer möglichen Neubautrasse beim Personenverkehr im Wesentlichen in einer Verkürzung der Fahrzeit München – Innsbruck um sieben Minuten, weil der Halt in Rosenheim wegfällt. Dafür würde sich die Reisezeit von Rosenheim nach Innsbruck um 23 Minuten verlängern und das Oberzentrum Rosenheim vom Personen-Fernverkehr abgehängt! Für den SchienenGüterverkehr ist nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung eine Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h vorgeschrieben. Welchen Sinn dann eine Hochgeschwindigkeitstrasse mit 230 km/h macht, ist erklärungsbedürftig. Wenn eine Neubautrasse kommt, wird die Bestandsstrecke sicher nicht nach Neubau-Standards optimiert (insbesondere beim Lärmschutz).
Professor Dr. Roland Feindor
Rosenheim