Zum Kommentar „Neue Fragen an die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (Politikteil):
Ein merkwürdiger Kommentar! Es werden keine Fragen gestellt, sondern Behauptungen aufgestellt. Woher hat der Autor die „mittlerweile sichere Erkenntnis“, dass sich aus dem Versailler Vertrag keine Schlüsse für die weitere politische Entwicklung in Deutschland ziehen lassen? Man muss doch kein Historiker sein, um zu begreifen, dass die enormen wirtschaftlichen Belastungen, die zu katastrophalen Lebensbedingungen führten, und die Demütigungen durch den Versailler Vertrag für die junge Weimarer Republik äußerst kontraproduktiv waren und ihren Gegnern geradezu in die Hände spielten. Schlechte Lebensbedingungen und das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, sind der Wegbereiter für Extremisten, wie auch die jüngste Geschichte zeigt. Der damalige US-Präsident Woodrow Wilson hatte gewarnt, den Bogen nicht zu überspannen, und der Vertrag wurde in den USA nicht ratifiziert. Selbst der britische Premierminister David Lloyd George hatte einen weiteren Krieg als Folge eines ungerechten Vertrages befürchtet. Die Rechtfertigung für den Vertrag war die Behauptung von der Alleinschuld des deutschen Kaiserreiches am Ersten Weltkrieg. Diese Schuldzuweisung ist spätestens seit dem Buch „Die Schlafwandler“ des Cambridger Historikers Christopher Clark nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Frage muss erlaubt sein: Welche Mitverantwortung haben die damaligen Alliierten an dem, was nach Abschluss des Vertrages in Deutschland passiert ist? Das entbindet zwar Deutschland nicht von seiner Verantwortung für das Erstarken des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, zeigt aber, was Demütigung eines Volkes für schlimme Folgen haben kann.
Rainer Ostermann
Prutting