Die Heiligen Drei Könige: Wer waren sie wirklich?

von Redaktion

Für ihre Existenz gibt es keine historischen Belege, trotzdem machte das Volk sie zu einer Art Popstars

München – Caspar, Melchior und Balthasar – na klar, das sind die Heiligen Drei Könige, die dem Stern nach Bethlehem folgten und dem Jesuskind Weihrauch, Gold und Myrrhe brachten. Eine schöne Geschichte. Aber stimmt sie so überhaupt? Die einzig bekannte Quelle ist das Matthäus-Evangelium (2,1-12). Von Königen und Heiligen ist dort aber nicht die Rede. Eine Spurensuche mit Martin Wallraff, Professor für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, kurz vorm Dreikönigsfest am Montag.

Wie kam Matthäus zu seiner Darstellung?

„Darüber wissen wir nichts“, sagt Professor Martin Wallraff. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass Matthäus schriftliche Quellen besaß. Welche mündlichen Quellen er hatte, welche Erzählungen und Berichte, das kann heute niemand mehr nachprüfen.“

Gab es die Heiligen Drei Könige wirklich?

Historisch ist das nicht belegt. „Aber daraus zu schließen, dass es nichts gab, wäre auch kühn“, sagt Wallraff. Letztlich sei die Frage nicht zielführend. „Das ist wie beim Heiligen Nikolaus. Einen Nikolaus von Myra hat es gegeben, aber man weiß unglaublich wenig über die historische Gestalt. Trotzdem würde jeder akzeptieren, dass Nikolaus eine der wirkmächtigen Gestalten der christlichen Geschichte ist.“ Die Huldigung Jesu, so Wallraff, müsse verstanden werden „als Teil der frühchristlichen Glaubens- und Erzählwelt“.

Wird über die Könige noch geforscht?

Zum Matthäus-Text an sich werde man nicht mehr viel herausbekommen, sagt Wallraff. „Relevant ist die Erforschung der Bibel im Kontext der antiken Kulturen und im kulturellen Kontext unserer Zeit, also die Übersetzungstätigkeit. Was kann man aus der Bibel heute gewinnen?“ Der Trend, die Bibel auf naturwissenschaftlich belegbare Fakten abzuklopfen, sei abgeflaut. „Man hat verstanden, dass der Sinn dieser Schriften nicht die Vermittlung von Fakten ist. Es sind religiöse Wahrheiten in ihrer Zeit.“

Waren es wirklich drei?

Matthäus gibt darauf keine Antwort. „Es heißt nur: Es kamen Weise oder Sterndeuter, je nach Übersetzung, aus dem Morgenlande“, sagt Wallraff. „In der frühen christlichen Kunst finden wir Anbetungsszenen auch mit sechs oder zwölf Königen.“ Letztlich sei es relativ bald auf die Dreizahl zugelaufen. „Gold, Weihrauch und Myrrhe. Es sind drei Geschenke – und da liegt nahe, dass es drei Personen waren.“ Eine Deutung ist, dass es sich um Repräsentanten der damals bekannten drei Kontinente Europa, Asien und Afrika handelte.

Waren es Könige?

Bei Matthäus ist von „magoi“ die Rede, was Magier bedeutet. „Das Wort Magier wird heute in Bibelübersetzungen nicht so gern gesehen, weil man an Leute denkt, die auf Jahrmärkten Kaninchen hervorzaubern“, sagt Wallraff. Meist heißt es deshalb Sterndeuter oder Weise. Dass aus den Weisen irgendwann Könige wurden, könnte mit dem Propheten Jesaja zu tun haben – der schon weit vor Jesu Geburt wirkte (740 bis 701). In Kapitel 60,6 spricht Jesaja von Gold und Weihrauch, in 72,10-11 von Königen, die Geschenke bringen und huldigen sollen. Die Umdeutung in Könige habe allerdings ein Weilchen gedauert. „Die frühchristlichen Darstellungen zeigen keine Könige, sondern Figuren mit Persermützen und Hosen“, sagt Wallraff. „Hosen waren in der griechisch-römischen Kultur eher unnormal. Daran sieht man: Es waren Ausländer.“

Waren sie heilig?

Auch davon ist bei Matthäus nicht die Rede. Es gehe um Leute „aus einer absolut nicht jüdisch-christlichen Tradition“, sagt Wallraff. „Dass sie heilig werden, liegt in der Logik der Geschichte. Sie werden heilig durch ihren Anbetungsakt. Sie sind sozusagen die ersten Christen ihrer Völker.“ Wallraff glaubt, dass es sich eher um religiöse Spezialisten handelte, nicht um politische Machthaber. Das würde auch das Wort „magoi“ im Matthäus-Evangelium am ehesten transportieren.

Wer repräsentiert welchen Erdteil?

Caspar verkörpert Afrika, Balthasar Asien, Melchior Europa. So liest man es immer wieder. Aber das sei überhaupt nicht klar, betont Wallraff. „In der Antike gibt es noch gar keine Festlegungen, weder auf Könige noch auf die Dreizahl, auf den Symbolismus mit den Erdteilen und die Namen und die Hautfarbe. Erst ab dem frühen Mittelalter kristallisiert sich das heraus.“ Welcher Name für welchen Erdteil stehe, sei nicht belegt. Aus den Namen selbst könne man das nicht ableiten. Die Legende habe sich fortschreitend verfestigt, das gelte auch für den Schwarzen. „Einer ist eben schwarz, weil er Afrika repräsentiert.“

Caspar, Melchior und Balthasar?

Die Namen tauchen erstmals um das Jahr 500 auf. „Damals waren sie aber noch nicht ausgedeutet. Die Interpretationen kamen erst später dazu“, sagt Wallraff. Die in der Westkirche verbreiteten Namen Caspar, Melchior und Balthasar seien von der Herkunft keine lateinischen Namen, sondern östlich. „Sie sind griechischen oder sogar aramäischen Ursprungs – sind aber im Osten nicht geläufig.“ Bei den syrischen Christen zum Beispiel heißen die Weisen Larvandad, Hormisdas und Gushnasaph. „Das Namensspektrum ist breit. Da gibt es ganze Namenstabellen. Unsere Namenstradition ist also orientalisch geprägt, aber nur im Westen belegt.“

Wo sind die Namen erstmals belegt?

„Die um das Jahr 500 datierte Schrift ist sehr rätselhaft“, sagt Wallraff. „Es ist eine anonyme Schrift. Niemand weiß, wer sie geschrieben hat. Sie ist schwer zu deuten auf ihren kulturellen Kontext und man weiß nicht, wo der Autor das her hat.“ In der Forschung heißt die Schrift „Excerpta Latina barbari“, weil sie in einem barbarischen Latein verfasst ist. Eher schlichte Literatur. „Hier betritt man ein Gebiet, auf dem Volksfrömmigkeit eine viel größere Rolle spielt als hohe Theologie. Und bei volkstümlichen Geschichten ist die Chance auf Quellen sehr schlecht, das sind Dinge, die sich verlieren.“

Haben die Namen eine tiefere Bedeutung?

Melchior kommt laut Wallraff aus dem Aramäischen und bedeute König des Lichts. Balthasar sei ein chaldäischer Name, der dem Propheten Daniel am babylonischen Hof beigelegt worden ist. Bei Caspar wisse man es am wenigsten, da gebe es verschiedenste Theorien. „Aber das ist für mich nicht der Schlüssel zum Verständnis. Die Namen haben sich durchgesetzt in einer Zeit, in der das ohnehin niemand mehr verstanden hat. Die Namen wurden populär, weil die Figuren so beliebt waren, dass man förmlich nach Namen suchte. Man war dankbar für Antworten.“

Woher kommt das Dreikönigsfest?

Belegt ist es erstmals im frühen 4. Jahrhundert – in Ägypten. Warum gerade dort, ist laut Wallraff unklar. Das Fest sei in einer erstaunlichen Kombination entstanden. „Neben den Magiern aus dem Morgenland sind die Taufe Jesu und die Hochzeit zu Kana Inhalt – also Ereignisse, die erst einmal nicht in direktem Zusammenhang stehen. Es ist ein Dreifachfest, das wir heute als Epiphanias kennen, also Erscheinungsfest.“ In allen drei Fällen sei die Idee, dass die Gottheit Jesu sichtbar wird. „Interessant ist, dass sich im Westen später ein weiterer Termin gebildet hat, der 25. Dezember. Beide Termine sind Weihnachtsfeste und standen in Konkurrenz. Im Laufe der Jahrhunderte wurden im Osten und im Westen beide Termine übernommen. Deshalb feiern wird heute den 25. Dezember und den 6. Januar.“ Eine Ausnahme ist Armenien, wo nur der 6. Januar gefeiert wird. Der 25. Dezember sei für uns mit der Krippengeburt besetzt (Weihnachten nach Lukas), der 6. Januar mit den Magiern aus dem Morgenland nach Matthäus.

Woher kommt die zeitliche Differenz?

„Als Erklärung geben schon die Kirchenväter an, dass die Magier eben eine Weile brauchen, bis sie da sind“, sagt Wallraff. „Es sind ja geheimnisvolle Gestalten von weit her, und das dauert eben diese 13 Tage.“ Das Entscheidende sei, dass mit dem Fest am 6. Januar die Matthäus-Erzählung sehr populär geworden sei. „Der Text wird Gegenstand von Predigten und Interpretation. Aber bald auch Gegenstand volkstümlicher Ausgestaltungen. Und damit beginnt der Prozess der Festlegungen auf die Dreizahl, dass es Könige sind und auf die Namen.“

Welche Bedeutung hat das Fest für Christen?

Erst ab dem 4. Jahrhundert habe die Geschichte das Christentum geprägt – von da an aber intensiv, sagt Wallraff. „Ein wichtiger Punkt ist, dass die Weisen aus dem Morgenland einen überregionalen, sogar globalen Horizont haben. Die Geschichte wird gelesen als Botschaft, dass die Geburt Jesu nicht nur ein lokales Ereignis war.“ Die Matthäus-Geschichte habe die fromme Fantasie bis ins hohe Mittelalter hinein beflügelt. „Das Dreikönigsmotiv ist ein gutes Beispiel für volkstümliches Interesse an einem Legendenbündel, das kirchlich gar nicht im Mittelpunkt stand. Das hatte über die Jahrhunderte eine starke Eigendynamik. Die Amtskirche hat das nicht gelenkt, sondern aus dem Volk übernommen.“ Die Dreikönigsgestalten seien im Volk Sympathieträger.

C + M + B

Es steht über vielen Türschwellen. Aber sind es nun die Namen der Könige oder heißt es „Christus mansionem benedicat – Christus segne dieses Haus“? Was es wirklich heißt, sei eine sinnlose Frage, sagt Wallraff. „Es ist ein sehr, sehr alter Brauch, den wir schon im frühen Mittelalter finden. Die drei Buchstaben sind offen für Deutungen. Die Deutung mit den Namen ist die ältere. Richtig oder falsch gibt es hier meiner Meinung nach nicht. Es ist wie mit der Geschichte insgesamt. Sie hat sich entwickelt. Der Türsegen kann unterschiedlich gedeutet werden.“

Was hat es mit den Reliquien im Kölner Dom auf sich?

Im Dreikönigenschrein im Kölner Dom liegen angeblich die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Der Legende nach hat sie die Hl. Helena im Jahr 326 auf einer Pilgerfahrt gefunden. „Ein dünnes Brett“ sei die Geschichte, sagt Wallraff. Im 12. Jahrhundert kamen die Gebeine von Mailand nach Köln. „Sie sind sozusagen eine objekthafte Verdichtung einer Glaubensüberzeugung“, sagt Wallraff. „Von Echtheit zu reden bei Personen, von denen wir nicht wissen, ob es sie gab, macht sowieso keinen Sinn.“ Eine antike Verehrungsgeschichte der Reliquie gebe es nicht. „Das wurde von den Kölnern gehypt. Die enorme Größe der Kölner Kathedrale ist dieser Reliquie geschuldet.“

Text: Wolfgang Hauskrecht

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