Der Tag der Schnäppchenjäger

von Redaktion

Schnäppchenjäger fiebern dem Freitag entgegen. Dann locken viele Händler wieder mit satten Preisnachlässen. Der Black Friday hat in manchem Geschäft dem Sommer- und Winterschlussverkauf längst den Rang abgelaufen. Aber nicht alle wollen die Rabattschlacht mitmachen.

VON STEFAN REICH

München – „Die Tage um den Black Friday sind für uns ein zweites Weihnachten“, sagt Hans Fanea, Inhaber zweier Expert-Elektronikmärkte in Bad Tölz und Holzkirchen. „Unsere Mitarbeiter haben dann Urlaubssperre.“ Denn für kommenden Freitag rechnet Fanea wieder mit Umsätzen, die um ein Drittel höher liegen als an normalen Tagen. Seit drei Jahren lobt Expert zum Black Friday teils satte Rabatte aus, auch in der vorausgehenden Black Week und am darauffolgenden Cyber Monday.

Bei Foto Video Sauter in München begleitet man heuer die Rabatt-Tage zum ersten Mal mit Angeboten und Werbeaktionen. „Wir wollen dann etwas Besonderes anbieten, was sich sonst nicht rechnen lässt“, sagt Prokurist Joachim Lindenberg. Hochwertige Kameras etwa. Was wirklich funktioniert, muss sich aber noch zeigen. „Der Black Friday ist für uns noch kein gelerntes Event.“

Ein uramerikanisches Shopping-Event

So geht es vielen Händlern. Aber selbst kleine Schuhgeschäfte, Schmuckhändler und Parfümerien in oberbayerischen Kleinstädten ziehen bei der Rabattschlacht mit – und berichten teils von einer Kundenfrequenz wie an kaum einem anderen Tag im Jahr. Dabei verband noch vor sechs Jahren gerade mal ein Viertel der Bundesbürger den Begriff „Black Friday“ überhaupt mit dem Thema Einkaufen. Heuer wollen schon 70 Prozent der Deutschen auf Schnäppchenjagd gehen. Insgesamt verzeichnete der deutsche Handel 2018 am Black Friday und dem folgenden Cyber Monday 2,4 Milliarden Euro Umsatz.

Wie konnte sich das Phänomen so schnell ausbreiten? „Das Stichwort lautet Event-Kultur“, sagt Manfred Schwaiger, Professor für marktorientierte Unternehmensführung an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. „Sommer- und Winterschlussverkauf sind etwas angestaubt. Da braucht man etwas Frischeres, um Menschen in Geschäfte zu locken.“

Seinen Ursprung hat der Black Friday in den USA und bezeichnet dort den Tag nach dem Thanksgiving-Fest. Das ist seit 1863 stets an einem Donnerstag, seit 1941 ist es der vierte im November. Ein Einkaufstag ist der Freitag danach bereits seit den 1920er- Jahren. Damals kamen Thanksgiving-Paraden auf, gesponsert vom Einzelhandel. Oft bildete ein Festwagen mit Santa Claus das Ende der Parade. Es war der sinnbildliche Startschuss für das Weihnachtsgeschäft. Am Tag nach dem Familienfest veröffentlichte der Einzelhandel Rabattangebote, um die Amerikaner zu ersten Weihnachtseinkäufen zu animieren.

Der Begriff Black Friday soll in den 1960er-Jahren in Philadelphia entstanden sein. Dort trugen damals stets am Thanksgiving-Wochenende die Hochschulen von Armee und Marine ihr jährliches Football-Duell aus. Schon am Freitag überrannten neben Shopping-Touristen aus den Vororten auch zehntausende Football-Fans die Innenstadt.

Wegen der paradiesischen Zustände für Ladendiebe und der Folgen für Verkehr und öffentliche Sicherheit sollen Polizisten und Busfahrer von einem schwarzen Freitag gesprochen haben. Eine andere Version lautet, es sei der Tag, an dem viele Händler den Sprung von den roten in die schwarzen Zahlen schafften.

Internethandel erfindet den Cyber Monday

In den 1990er-Jahren wurde der Black Friday endgültig zum nationalen Shopping-Tag. Regierungsbehörden gaben Angestellten frei. Vor Geschäften, die mit „doorbuster“-Angeboten lockten – Rabatten für nur begrenzt vorrätige Waren –, bildeten sich morgens lange Schlangen. Es gab tumultartige Szenen. Die Ladentüren öffneten sich bald schon um vier Uhr morgens oder noch früher. Über 100 Millionen Amerikaner nutzen den Brückentag inzwischen zum Black-Friday-Shopping.

Nach der Jahrtausendwende stieg der Internet-Handel ein und rief den nachfolgenden Montag zum Cyber Monday aus, um dann die Kunden auf ihre Seiten zu locken, die am Freitag und am Samstag in die Geschäfte strömten. Über das Internet schwappten die Rabatt-Tage nach Deutschland. Apple machte 2007 den Anfang. Bald folgte Amazon mit groß angelegten Aktionen, die sich nicht auf den einen Tag beschränkten. Andere Online-Händler zogen nach – und inzwischen macht auch der stationäre Einzelhandel mit bei der Rabattschlacht. Doch die birgt Risiken.

Der Black Friday 2017 soll der umsatzstärkste Tag in der Geschichte des Elektronik-Händlers Ceconomy gewesen sein, zu dem Media Markt und Saturn gehören. Doch wegen der Rabatte waren die Margen klein, und im Dezember blieben die Kunden weg. Nicht alle Händler wollen bei der Rabattschlacht mitmachen. „Aus ökonomischer Sicht macht der Black Friday für viele unserer Mitglieder keinen Sinn“, sagt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer des Vereins Citypartner, einem Zusammenschluss von Gewerbetreibenden aus der Münchner Innenstadt. Bedeutender, so Fischer, sei etwa für kleinere Modegeschäfte nach wie vor der Winterschlussverkauf im Januar, wenn die Lager leer werden müssen.

Erste Händler setzen auf Spende statt Rabatt

Wer sich dem Rabatt-Wettrennen entziehen will, muss sich etwas einfallen lassen. Die Münchner Traditionshäuser Hirmer, Kustermann, Bettenrid, Sport Schuster und Hugendubel beschlossen 2018, am Black Friday keine großzügigen Rabatte zu gewähren. Sie warben um Kunden mit der Ankündigung, einen Teil der Tageseinnahmen zu spenden. Das wollen sie auch heuer tun. Die Mitgliedsbetriebe des Stadtmarketing Olching veranstalten unter dem Motto „Ihr Einkauf hilft“ am kommenden Freitag und Samstag eine Spendenaktion zugunsten der Aktion „Kette der helfenden Hände“.

Wer aber Schnäppchen machen will, findet Angebote in Hülle und Fülle. Man sollte sich nur nicht vorschnell verleiten lassen, warnen Experten. „Rabatte sind verführerisch“, sagt Marketing-Experte Schwaiger. „Aus psychologischer Sicht springt das Belohnungszentrum im Gehirn schon an, wenn man das Gefühl hat, ein Schnäppchen gemacht zu haben.“ Ob sich das Gefühl einstelle, hänge davon ab, welchen Preis man für ein Produkt als normal empfinde. „Oft hat man als Kunde aber keine klaren Referenzpreise“, sagt Schwaiger. Dann könne es schon reichen, wenn ein Produkt als reduziert ausgezeichnet ist.

Laut Stiftung Warentest und diversen Vergleichsportalen sind viele als Black-Friday-Schnäppchen beworbene Produkte nicht wesentlich günstiger als in den Wochen davor oder danach. Wer sich aber informiere und Preise vergleiche, so das Fazit, der könne durchaus Schnäppchen ergattern.

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