„Der Schlüssel zu allem ist Bildung“

von Redaktion

Die Deutschland-Chefin der Kinderhilfsorganisation Plan fordert mehr politische Teilhabe für junge Menschen

München – Die Hilfsorganisation Plan International setzt sich seit 80 Jahren dafür ein, dass Kinder ein Leben frei von Armut, Gewalt und Unrecht führen können. Im Interview spricht Deutschland-Geschäftsführerin Maike Röttger darüber, was besser geworden ist – und was nicht.

Frau Röttger, heute vor 30 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention von der UN-Generalversammlung angenommen. Was hat das bedeutet?

Sehr viel. Es war das erste Mal, dass Kinder eigenständig in ihren Bedürfnissen wahrgenommen wurden. Und es war das Versprechen, ihnen diese Bedürfnisse auch zuzugestehen. Denn bis dahin galten Kinder sozusagen als kleine Erwachsene, die zur Arbeit eingesetzt wurden – ohne das Recht auf Bildung, oder das Recht, auch einfach mal spielen zu dürfen. Die gemeinsame Konvention war damals ein riesiger Kraftakt, über den die Staaten zehn Jahre verhandelt haben. Heute können deshalb zwei Milliarden Mädchen und Jungen diese Rechte sogar einklagen.

Mit dabei sind alle UN-Länder – außer die USA.

Das stimmt. Die USA sind aus innenpolitischen Gründen als Einzige nicht dabei. Das liegt auch daran, dass die Konvention zu zwei Dritteln vom US-Senat ratifiziert werden muss. Und das ist bisher nicht passiert, da es in einigen US-Bundesstaaten noch immer Gesetze gibt, die zum Beispiel Lehrern erlauben Kinder zu züchtigen – was die Kinderrechtskonvention natürlich nicht zulässt.

Was hat sich seit 1989 weltweit tatsächlich für Kinder verändert?

Wir sehen auf jeden Fall Verbesserungen bei der Ernährung und Schulbildung. Die Länder müssen ja auch an die Vereinten Nationen berichten, wie sie die Vorgaben umgesetzt haben. Da hat sich wirklich was getan. Allerdings haben wir heute trotzdem rund 250 Millionen Kinder, die in Krisen- oder Konfliktsituationen leben. Deren Rechte sind ganz sicher nicht gewahrt.

Es gibt also noch immer große Probleme?

Ja. Teils kann man die Situation als dramatisch bezeichnen, besonders für Mädchen. 130 Millionen von ihnen gehen nicht zur Schule, 750 Millionen werden in einem Alter unter 18 Jahren verheiratet. Diese Mädchen werden dann oft früh schwanger und gehen nicht mehr zur Schule. Nicht selten werden sie so jung Mutter, dass sie die Geburt gar nicht überleben.

Wo ist die Lage besonders problematisch?

In afrikanischen Ländern südlich der Sahara wie Niger ist wirklich noch sehr viel zu tun. Dort gehen etwa 40 Prozent der Mädchen nicht einmal zur Grundschule. Drei von vier Mädchen heiraten dort vor dem 18. Lebensjahr. Aber es ist schwierig, die Situationen der Mädchen gegeneinander aufzuwiegen. Für ein Mädchen, das vor der Situation in Venezuela fliehen muss, fühlt sich das nicht besser an.

Was müsste sich ändern?

Der Schlüssel zu allem ist Bildung. Die lässt sich nur bedingt von außen verbessern. Die Länder müssen es selbst tun. Und die Regierungen müssten Kinderrechte wirklich umsetzen. In vielen Ländern ist die Mehrheit der Bevölkerung unter 24 Jahre alt oder sogar jünger als 18 Jahre. Dort müssen diese jungen Menschen auch an den politischen Strukturen beteiligt werden. Nur wenn die Stimmen der Jugend einbezogen werden, wird es langfristig Veränderung geben.

Interview: Sebastian Horsch

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