„Das sind Eindrücke, die einen ein Leben lang begleiten“

von Redaktion

Der frühere Astronaut Thomas Reiter über seine Erlebnisse im All und die Pläne für eine neue Mond-Mission

Thomas Reiter sah die Erde von oben und als einer von wenigen Astronauten zwei Raumstationen von innen – die MIR und die ISS. Mit 350 Tagen im All zählt der 61-Jährige zu den erfahrensten Raumfahrern Europas. Ein Gespräch über überwältigende Momente.

Herr Reiter: Wie haben Sie als Kind die Mondlandung am 21. Juli 1969 erlebt?

Mein Vater weckte mich nachts – die Landung fand ja nach unserer Zeit am frühen Morgen statt – und wir sind rüber zum Nachbarn, der schon einen Farbfernseher hatte. Zwar waren die Bilder vom Mond schemenhaft und in Schwarz-weiß. Aber die ganze Dokumentation konnten wir in Farbe sehen. Die Vorstellung, dass erstmals Menschen mit eigenen Füßen auf der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers stehen, dass sie dort sind, wovon Menschen Jahrtausende geträumt haben, das hat mir Gänsehaut bereitet und tut es auch heute noch.

Dann wollten Sie endgültig Astronaut werden …

Das war mein Kindheitstraum. Aber nach dem Abitur war mit schon bewusst, dass dieser Wunsch unglaublich unrealistisch war. Deshalb studierte ich Luft- und Raumfahrttechnik bei der Bundeswehr und kombinierte es mit einer Pilotenausbildung.

Wie ging es weiter?

Es war an einem grauen Herbsttag 1986. Ich war damals in Oldenburg stationiert, kam nachmittags vom Fliegen zurück. Da sagte der Einsatzoffizier zu mir: „Thomas, du musst dich beim Kommandeur melden“. Der fragte mich dann, ob ich an einem Auswahlverfahren für Astronauten teilnehmen möchte. Die Antwort musste ich mir nicht lange überlegen. Es war aber kein Durchmarsch. Nach dem nationalen Auswahlverfahren 1986/87 war drei Jahre lang Sendepause. Erst 1990 kam wieder ein Anruf, dass es jetzt bei der ESA weitergehen soll. Dann musste ich das ganze Auswahlverfahren noch einmal durchlaufen.

Mit Erfolg. Sie waren oft im All. Wie haben Sie den Blick von dort auf die Erde wahrgenommen?

Es sind Eindrücke, die so überwältigend sind, dass sie einen ein Leben lang begleiten. Wenn ich bei Vorträgen Bilder zeige und dazu erzähle, ist es immer wieder so, als wäre es erst gestern passiert. Das Gefühl, das alles mit eigenen Augen gesehen zu haben, berührt mich emotional immer noch sehr stark.

Was sieht man, wenn man in den Weltraum schaut?

Die Sterne, die Milchstraße, gestochen scharf. Aber sonst ist alles pechschwarz. In diesen unendlichen Weiten sieht unser kleiner Planet sehr einsam aus. Hier unten kann man sich das nicht vorstellen, aber dort oben wirkt es erschreckend. Da ist nichts. Nur dieses kleine blaue Fleckchen in der unendlichen Schwärze des Weltraums. Und das ist unser Zuhause.

Es gibt viele Pläne für neue Missionen zum Mond.

Das ist überfällig. Man darf nicht glauben, dass man durch die Apollo-Missionen alles über den Mond weiß. Menschen sollten aber nicht zum Mond fliegen, um dort die Fahne ihres Landes in den Staub zu setzen, sondern um für längere Zeit dort zu bleiben. Ich stelle mir eine Station vor wie die Internationale Raumstation ISS. Große Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Wenn jeder für sich kämpft, wird das nichts.  pam

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