München – Trockenheit, Hitze, Stürme, Krankheiten, Schädlinge: Der Bund Naturschutz (BN) Bayern sieht die bayerischen Wälder in Gefahr. „Der Zustand ist sehr besorgniserregend, weil die Klimakrise die Baumarten vor riesige Herausforderungen stellt“, sagt Ralf Straußberger, Waldexperte beim BN. Insbesondere Kiefer und Fichte hätten „massivste Probleme“. Zum Beispiel im Landkreis Passau in Niederbayern schlage der Borkenkäfer derzeit Schneisen. „Dort kommt man mit der Bekämpfung gar nicht mehr hinterher.“ Straußberger fordert, künftig mehr auf Tanne, Eiche und Buche zu setzen, Die Tanne etwa komme mit wenig Niederschlag und mit Hitze gut zurecht. Auch die Eiche sei bisher sehr stabil.
Der Bund Naturschutz warnt aber davor, Bepflanzung als probates Mittel gegen den Klimawandel anzusehen. „Das ist eine Nebelkerze“, sagt Straußberger. Damit Bäume den Klimawandel spürbar mindern, müsste weltweit auf riesigen Flächen massiv gepflanzt werden. „Diese Flächen haben wir nicht, weder in Deutschland noch in Europa. Es gelingt ja nicht mal, die Kahlschläge in Regenwäldern zu stoppen.“ Mehr Grün funktioniere nur begleitend, sagt Straußberger – und nur, wenn die Temperaturerhöhung maximal zwei Grad betrage. „Wenn die Politik aber weiter so untätig unterwegs ist, dann bekommen wir Verhältnisse mit vier bis fünf Grad plus.“
Dass Bäume wichtig sind, ist unbestritten. Sie entziehen der Atmosphäre bei der Photosynthese Kohlendioxid und speichern es in Form von Kohlenstoff im Holz. Eine 100 Jahre alte und 35 Meter hohe Fichte hat laut der „Stiftung Unternehmen Wald“ 0,7 Tonnen Kohlenstoff im Holz gespeichert. Das entspricht einer CO2-Absorption von 2,6 Tonnen. Eine 120-jährige Buche derselben Höhe absorbiert 0,9 Tonnen CO2 mehr. Das liegt laut Stiftung an der höheren Holzdichte. Der CO2-Ausstoß liegt in Deutschland pro Kopf derzeit bei 9,6 Tonnen pro Jahr. Es müssten also drei Buchen 120 Jahre lang wachsen, um den Jahresausstoß eines Deutschen zu kompensieren. Betrachtet man ganz Deutschland, sieht der Einfluss des Waldes laut der Stiftung so aus: Der deutsche Wald entlastet die Atmosphäre jährlich um rund 52 Millionen Tonnen Kohlendioxid – das sind sechs Prozent des bundesdeutschen Jahresausstoßes von 865,6 Millionen Tonnen.
Auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) warnt, der Anbau von mehr Bäumen sei zwar richtig, aber als einzelnes Mittel ungeeignet zur Stabilisierung des Klimas. Der Verzicht auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl sei alternativlos. Geschehe dies, „dann können Pflanzungen eine begrenzte, aber wichtige Rolle spielen – wenn sie gut gemanagt werden“, schreibt PIK-Experte Wolfgang Lucht. Hauptgrund: Es fehlt an Fläche. Das PIK hat mehrere Szenarien erstellt. Geht der CO2-Ausstoß unvermindert weiter, müssten nahezu alle verfügbaren natürlichen Ökosysteme der Welt bepflanzt werden, um dem Klimawandel entgegenzutreten, so die Forscher. Ein zweites Szenario legt zugrunde, dass der CO2-Ausstoß wie beim Klimagipfel von Paris vereinbart sinkt. Selbst dann müssten laut dem Institut Biomasse-Pflanzungen auf einer Fläche erfolgen, die einem Drittel aller heute existierenden Wälder entspricht – oder alternativ ein Viertel aller landwirtschaftlich genutzter Flächen.
WOLFGANG HAUSKRECHT