München – Mit dem Klimawandel rückt auch der Wald in den Fokus. Das immer trockenere Klima und in der Folge Schädlinge und Krankheiten setzen vielen heimischen Baumarten zu. Ein Gespräch mit Martin Neumeyer, Chef der Bayerischen Staatsforsten, über die große Aufgabe, Bayerns Wälder klimaresistent zu machen.
In welchem Zustand sind unsere Wälder in Bayern?
Der Klimawandel wirkt mit einer immer höheren Dynamik. Unsere Förster haben im Frühjahr neue schwerwiegende Folgen in den Staatswäldern festgestellt. Auch in diesem Jahr war es in der Tendenz zu trocken. Wir haben neue Schäden bei der Kiefer, zum Beispiel im Nürnberger Reichswald oder auf der fränkischen Platte. Völlig neu ist die Buche, die im Frühjahr noch ausgetrieben hat – aber dann abgestorben ist. Auch das ist vor allem in den fränkischen Landesteilen und in Mitteldeutschland zu beobachten. Wir haben in Deutschland schon mehrere hunderttausend Festmeter abgestorbene Buche.
Was fehlt der Buche?
Sie leidet massiv unter der langen Trockenheit. Es ist immer das gleiche Bild. Sie versucht zu überleben, treibt noch aus und bricht zusammen. Das ist sehr bedenklich, weil die Buche für große Flächen Bayerns die standorttypische Baumart ist.
Sie erwähnen immer wieder vor allem Franken …
Wir haben vereinfacht gesagt eine Zweiteilung. Südlich der Donau haben wir mehr Niederschläge, nördlich mehr Trockenheit und Hitze. Die Folgen des Klimawandels sind in Mittel-, Unter- und Oberfranken heute deutlich dramatischer als im Alpenvorland. Im Nürnberger Reichswald stirbt die Kiefer zum Teil in ganzen Beständen ab.
Was folgt daraus?
Der Walderhalt ist die wichtigste Aufgabe, die sich den Staatsforsten jetzt stellt. Der Wald ist unser größtes Erbe, hat Ministerpräsident Markus Söder erst letzte Woche richtigerweise gesagt.
Wie soll der Umbau das Staatswaldes aussehen?
Die Staatsforsten haben Verantwortung für 810 000 Hektar – das ist mehr als jeder zehnte Quadratmeter in Bayern. Unser Leitbild ist: Mehr Vielfalt auf die Fläche bringen. Wir wollen mehrschichtige, strukturreiche Wälder schaffen. Wälder also mit verschiedenen Höhen- und Altersstufen, die zudem in den Arten unterschiedlich sind. Wir brauchen eine starke Verjüngung, neue Mischwälder unter dem Altbaumbestand. Wir haben aus dem Klimawandel gelernt, dass nahezu alle Baumarten gefährdet sein können. Wenn also ein Altbestand ausfällt, haben wir einen jungen Zukunftswald untergebaut. Das ist unsere Strategie.
Fichte und Kiefer liegen zusammen noch bei fast 60 Prozent. Künftig sollen es auch noch über 40 Prozent sein – obwohl gerade diese Bäume extrem unter dem Klimawandel leiden.
Fichte und Kiefer gehören natürlich noch dazu, aber nicht mehr als Reinbestand. Die Mischung macht‘s, das ist das Entscheidende. Es kommen auch andere Baumarten dazu wie die Tanne, die jahrhundertelang stark war in Bayern, und dann aus wirtschaftlichen Gründe nicht mehr so im Mittelpunkt stand. Und wir müssen unseren Blick weiten und alte, fast vergessene Baumarten beimischen – zum Beispiel Spitzahorn, Flatterulme oder Elsbeere.
Wie sieht es mit fremden Baumarten aus?
Auch die werden wichtig. Neue Baumarten aus Ländern, die heute schon ein Klima haben, das wir möglicherweise in Zukunft bekommen. Zum Beispiel die Baumhasel, die Libanon-Zeder, die Atlas-Zeder, die Karpaten-Tanne, die Edelkastanie. Wir müssen mit Hochdruck vorangehen und Anbauversuche verstärken. Wir haben heuer zum Beispiel mit Anbauversuchen für die Atlas-Zeder begonnen.
Sind mit neuen Baumarten Risiken verbunden? Erkrankungen, Schädlinge?
Das muss man sehr genau beobachten, deswegen pflanzen wir neue Bäume auch nicht flächendeckend, sondern machen wissenschaftlich begleitete Anbauversuche. Da braucht niemand Sorge zu haben.
Von welchem Zeitraum reden wir eigentlich?
Bis man die Eignung einer Baumart exakt beurteilen kann, muss man schon bis zu 20 Jahre rechnen. Beim Waldumbau insgesamt muss man jetzt weiter Tempo machen. Das Ergebnis sieht man dann in 50 Jahren.
Frisst das Wild nicht die kleinen Bäume ab?
Wir brauchen eine effektive Jagd. Der Klimawandel erfordert ein Management durch Fachleute. Das ist die entscheidende Erkenntnis.
Es braucht also mehr Jagd.
Wir haben ein funktionierendes Jagdmanagement in Bayern. Deshalb funktioniert auch die Waldverjüngung gut. 50 Prozent der älteren Staatswälder sind schon verjüngt. Unter den alten Bäumen ist schon Mischwald da. Das ist ein riesiger Vorsprung, den wir gegenüber vielen Nachbarn haben – eine super Leistung unserer Mitarbeiter.
Ein Negativbeispiel?
Ich war neulich in Tschechien. Dort gab es riesige Fichtenbestände etwa in Mähren. Der Borkenkäfer hat alles weggefressen. Und weil es dort keine Verjüngung unter dem Altbestand gab, haben wir dort eine Steppenlandschaft. Das ist furchtbar mit vielen Folgen bis hin zur Trinkwasserversorgung.
Was wäre, überließe man den Wald sich selbst?
Dann würde in vielen Gebieten Bayerns die Buche führend werden. Die Buche hat eine starke Wuchskraft und Verdrängungswirkung. Aber auch die Buche fällt jetzt in vielen Gebieten aus. Dann wäre es eine Gefahr für unseren Wald, der Klimaspeicher könnte nicht mehr so funktionieren. Aber unser Ziel ist der Walderhalt. Wenn man das will, braucht man ein Management durch Förster und engagierte Waldbesitzer.
Nur etwa ein Drittel ist in Bayern Staatswald, über die Hälfte Privatwald, der Rest kommunal. Waldumbau kostet Geld. Da könnten viele Privatbesitzer sagen: Ich lass mal lieber alles so, wie es ist.
Es ist ein riesiger Fortschritt, dass die Politik den Wald in Zeiten des Klimawandels so in den Mittelpunkt rückt. Das hilft auch Privatwaldbesitzern. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hat angekündigt, bis Herbst ein Gesamtkonzept für den Wald vorzulegen. Da werden sicher auch Unterstützungen und Anreize für private und kommunale Waldbesitzer enthalten sein, den Wald fit für den Klimawandel zu machen.
Es gibt verschiedene Klimaszenarien: Erwärmung bis zwei Grad – oder mehr. Das macht auch einen Unterschied für den Wald.
Wie stark der Klimawandel letztlich zuschlägt, ist natürlich ein großer Unterschied. Wir gehen bisher von zwei Grad aus, so wie die Weltklimakonferenz das auch vorgesehen hat. Eines ist klar: Mehr Wald hilft, den Klimawandel abzumildern. Dazu muss global der Wald erhalten und ausgebaut werden. Die Vernichtung des Regenwaldes ist unverantwortlich. Das Gegenteil brauchen wir.
In Bayern wird es aber nicht mehr Wald geben, nur einen gesünderen.
Das ist richtig. Nur der gesunde Wald speichert CO2. Und Bayern leistet seinen Beitrag. Wir pflanzen in den kommenden fünf Jahren 30 Millionen neue Bäume. Aber natürlich: Russland, China, Kanada, USA, Australien oder Brasilien wären Gebiete, wo die Waldfläche substanziell vergrößert werden könnte.
Wenn man von Wald spricht, muss man dann nicht auch über den Baustoff Holz reden?
Mehr Holznutzung bedeutet CO2-Vermeidung. Es würde mich freuen, wenn man in Bayern über Änderungen in der Bayerischen Bauordnung ein klares Signal zur Verstärkung des Holzbaus setzen könnte. Ein Holzbau ist nicht nur super zum Leben. Er passt hervorragend zu Bayern und ist ein heimischer, nachwachsender Rohstoff, der CO2 vermeidet und über die Photosynthese bindet, während andere Baustoffe im Produktionsprozess CO2 produzieren. Eine Öffnung der Bauordnung für mehr Holz wäre ein tolles Signal und ein positiver Beitrag zur Klimadiskussion. Holz kommt aus der Natur und wird am Ende wieder an die Natur zurückgegeben.
Interview: Wolfgang Hauskrecht