Aschheim – Alice Lindl und Walter Dorfner sind für die Zukunft. Genauer: für die „efuture“ – die elektrische Zukunft. Vor ihrem Laden in Aschheim bei München stehen E-Motorroller, die dem klassischen Design einer Vespa nachempfunden sind, und E-Mofas, die nach superschnellen und superschicken Motocross-Maschinen aussehen. „Going wild in style“ steht dazu auf einem Plakat, dass in dem kleinen Verkaufsraum von „efuture“ an der Wand hängt. In dem Laden, der direkt an Aschheims Dorfstraße liegt, funktionieren alle Fortbewegungsmittel mit Strom. Hier stinkt und knallt kein Diesel-Mofa. Zwischen den Motorrollern stehen auch: elektrische Tretroller, sogenannte E-Scooter.
Tretroller, das sind für viele die Trittbretter, mit denen sie auf den Spielstraßen ihrer Kindheit über kreidebemalten Asphalt gedüst sind. Die Tretroller der neuen Generation sind mit den Kinderrollern nicht zu vergleichen. Es gibt Modelle wie den „SXT Ultimate pro+“ mit „dual Motor“. Der wird bis zu 80 Stundenkilometer (km/h) schnell, hat eine Motorleistung von 3600 Watt und lässt sich in Sekunden kofferraumgerecht zusammenfalten. 2400 Euro kostet das Gerät. Eine Straßenzulassung hat der „Ultimate pro+“ nicht. Lindl und Dorfner verkauften den Tretroller trotzdem kürzlich – an einen Mann aus Österreich. „Der wollte den wegen des starken Motors, um trotz Steigung zu seiner Bergalm zu fahren“, erzählt Alice Lindl.
Den typischen E-Scooter-Käufer beschreibt Dorfner so: „40 plus in allen Kleidergrößen.“ Die Modelle der Firma SXT sind besonders bei Wohnmobil-Besitzern beliebt. „Die Scooter sind kompakt und lassen sich gut in den Wohnmobilen verstauen“, sagt Walter Dorfner. Oft kaufen die Camper bei „efuture“ das Modell „light plus v“. Der rund 1000 Euro teure Roller wiegt mit seinem 500-Watt-Radnabenmotor nur elf Kilogramm. Die möglichen 35 km/h kann der Fahrer wie bei althergebrachten Tretrollern abbremsen: mit einem Tritt aufs Hinterrad. Auf deutschen Straßen dürfen die Modelle von SXT nicht gefahren werden. „Aber in anderen Ländern dürfen die Camper sie fast überall fahren“, sagt Dorfner. Im Ausland gebe es kaum Regeln zur Nutzung der Scooter.
Tretroller boomen, im öffentlichen Raum dürfen die meisten Modelle aber nicht fahren. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will das ändern. Seit 1. März dürfen immerhin schon Modelle der Firmen BMW und Metz ganz legal genutzt werden (siehe Text oben). Den „Moover“ von Metz gibt es auch bei „efuture“. „Wir haben die bestellt – und noch bevor die Tretroller geliefert wurden, waren die alle verkauft“, sagt Alice Lindl.
Wirklich treten muss man auf den Scootern zum Fortkommen freilich nicht. „Nur ein oder zwei Mal, um ihn in Schwung zu bringen“, sagt Lindl. Der „Moover“ fährt danach mit seinem Elektromotor weiter und erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 20 Kilometer in der Stunde. 1998 Euro bezahlt der Käufer dafür. Das klingt nach verdammt viel Geld für einen Tretroller. Aber: Der „Moover“ ist in Deutschland produziert, Führerschein und Helm sind für das Fahren nicht nötig und selbst 14-Jährige dürfen mit dem Scooter auf Radwegen rollern.
„Der Akku ist unter dem Trittbrett und die Ladezeit an einer Haushaltssteckdose beträgt drei Stunden“, sagt Walter Dorfner. Am Hinterrad klebt ein kleines grünes Kennzeichen. Wer den Moover im Straßenverkehr nutzen will, braucht Versicherung und Betriebserlaubnis. „Das grüne Kennzeichen ist bis Februar nächsten Jahres gültig“, sagt Dorfner. Mit in der Lieferung des Metz „Moover“: ein kleines Faltpapier, ähnlich den Fahrzeugpapieren beim Auto. „Es kommt auch vor, dass die Polizei die sehen will“, sagt Dorfner.
Lindl und Dorfner arbeiteten ursprünglich bei der gleichen Münchner Versicherung als Angestellte. Vor vier Jahren entschloss sich das Ehepaar aus Feldkirchen zu einem Neustart als Selbstständige. „Ich wollte das eigentlich immer machen“, sagt Lindl. Die zündende Idee kam ihr, als sie jemanden auf einem E-Einrad fahren sah. Sie recherchierte und die beiden begannen, nebenberuflich E-Mobile aus einem Keller heraus zu verkaufen. Ein Betriebsstart wie aus dem Start-up-Lehrbuch. Mit Social Media lenkten die 56-Jährige und der 65-Jährige Aufmerksamkeit auf das Geschäft und eröffneten vor einem Jahr den Laden in Aschheim. In der nächsten Woche zieht „efuture“ in ein größeres Ladengeschäft nebenan. „Ich hätte nie gedacht, dass das so erfolgreich wird“, sagt Lindl. Die Tretroller fahren die beiden natürlich auch selbst. Genau wie alle anderen Fahrzeuge, die sie verkaufen. Der pinke E-Scooter, der ganz hinten in einer Ladenecke steht, muss wieder weichen. Alice Lindl findet ihn zwar schick. „Aber er genügt nicht unseren Ansprüchen.“
NORA LINNERUD