Ungeachtet des heftigen Widerstands im Netz und auf der Straße hat das Europaparlament der Reform des Urheberrechts ohne Änderungen zugestimmt. Die Abgeordneten bestätigten in Straßburg unter anderem die besonders umstrittenen Artikel 11 und 13 (künftig Artikel 15 und 17). Der eine sieht ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor, der andere nimmt Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht.
Die EU-Staaten müssen noch einmal zustimmen. Die Gegner hoffen, dass die Bundesregierung die Zustimmung verweigert. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Stimmen die EU-Staaten zu, hätten sie rund zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.
Die Copyright-Reform soll das veraltete Urheberrecht in der EU ans digitale Zeitalter anpassen und Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine bessere Vergütung sichern. Mitte Februar hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Darüber stimmte das Parlament nun ab. 348 Abgeordnete waren dafür, 274 dagegen. Es gab 36 Enthaltungen.
Der Protest insbesondere gegen Artikel 13 war zuletzt immer größer geworden. Die Gegner wenden ein, dass Plattformen wie YouTube künftig schon beim Hochladen überprüfen sollen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Das sei nur über sogenannte Upload-Filter möglich, bei denen die Gefahr bestehe, dass viel mehr als nötig aussortiert werde. Dies käme einer Zensur gleich. Aus Sicht der Befürworter geht es darum, Plattformen, die wissentlich mit fremden Inhalten Geld verdienen, zu einer fairen Lizenzierung zu zwingen. Auch umstritten war der nun ebenfalls gebilligte Artikel 11, der ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorsieht.
Vor allem Vertreter der Linken und Grünen brachten gestern eine Reihe von Änderungsanträgen ein. Mit einer Mehrheit von fünf Stimmen lehnte das EU-Parlament es aber ab, darüber abzustimmen. Andernfalls hätten einzelne Teile der Reform noch gestrichen werden können.
Der CDU-Europaparlamentarier Axel Voss, der die Reform federführend verhandelt hatte, sprach von einem „Sieg für die Demokratie“. „Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen“, sagte er. Auch die großen deutschen Verlegerverbände begrüßten das Ergebnis.
Die schärfste Kritikerin, Piraten-Politikerin Julia Reda, sprach hingegen von einem schwarzen Tag. „Die Einigung gefährdet das freie Internet, wie wir es kennen.“ Die Chance auf ein modernes Urheberrecht sei vertan worden. Die Reform werde Upload-Filter nach sich ziehen, sodass legale Inhalte künftig häufiger blockiert würden. Auch in den sozialen Netzwerken brach sich die Enttäuschung Bahn. Auf Twitter sammelten sich unter den Hashtags #Artikel13 und #NieMehrCDU kritische Stimmen. „Wieso sollen wir uns für Politik interessieren, wenn Politik sich nicht für junge Menschen interessiert?“, stand zu lesen. Die Bürgerrechtlerin und Autorin Katharina Nocun schrieb: „Mag sein, wir haben eine Schlacht verloren. Aber wir haben einen langen Atem. Und wir sind jung. Das nächste Mal gewinnen wir.“ Selbst Whistleblower Edward Snowden meldete sich: „Vergiss nie, was sie hier gemacht haben. Da die CDU/CSU gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr CDU/CSU stimmen.“
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte: „Ich bedaure sehr, dass das Europäische Parlament sich heute nicht gegen Upload-Filter positioniert hat.“ Barley hatte dem Vorhaben als Ministerin zugestimmt, obwohl sie selbst Artikel 13 ablehnt. Zur Begründung argumentierte sie mit der Kabinettsdisziplin. Mit einer Ablehnung der Bundesregierung rechnet Barley nicht. Es gehe nun darum, dass Künstler „tatsächlich davon profitieren und Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz erhalten bleiben“. Auch die CDU-Spitze denkt schon an die Umsetzung. Upload-Filter müssten vermieden werden, twitterte Generalsekretär Paul Ziemiak – was Experten für nicht machbar halten (siehe Interview unten).