„Ich kann die Ängste nachvollziehen“

von Redaktion

4 FRAGEN AN

Verena Klein ist seit Juli 2013 Leiterin des Maßregelvollzugs im Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen.

Was unterscheidet Frauen und Männer, die suchtabhängig sind und Straftaten begehen?

Ein relativ großer Teil der Frauen hat im Vorfeld selber Gewalterfahrungen gemacht. Häufig werden die Straftaten erst in der Folge einer Abhängigkeit begangen. Bei Männern ist es öfter so, dass sie erst Straftaten begehen und im Rahmen dieses Lebensstils abhängig von Suchtmitteln werden.

Wie geht es für die Frauen nach der Entzugstherapie weiter?

Schon während der Therapie gibt es stufenweise Lockerungen bis hin zur offenen Station. Die Entlassung erfolgt in soziotherapeutische Einrichtungen, therapeutische Wohngemeinschaften oder in die eigene Wohnung. Danach stehen sie in der Regel fünf Jahre unter Führungsaufsicht und werden durch die forensische Ambulanz weiter betreut. In der Zeit kann es bei massiven Problemen zu einem Widerruf der Bewährung kommen.

Viele Menschen haben seit den Fällen Gustl Mollath und Ilona Haslbauer – die beide zu Unrecht eingewiesen wurden – Angst, irrtümlich im psychiatrischen Maßregelvollzug zu landen. Dieser ist im Gegensatz zur Entzugstherapie ja zeitlich unbegrenzt.

Die Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug setzt eine Straftat voraus, eine psychische Krankheit als Ursache, die Erwartung weiterer Straftaten und ein richterliches Urteil. Nach Mollath und Haslbauer sind Vorhaben – die es vorher schon gab – forciert worden, dass Verhältnismäßigkeitsgrundsätze strenger überprüft werden. Die Fristen für externe Prognosegutachten wurden verkürzt. Ich kann die Ängste nachvollziehen. Aber ich denke, wir haben ein System, das an verschiedensten Stellen versucht zu verhindern, dass jemand zu Unrecht untergebracht wird. Es wird jährlich durch die Strafvollstreckungskammer geprüft, ob die weitere Unterbringung erforderlich ist. Dazu erhält sie von uns eine Stellungnahme, beauftragt aber zusätzlich nach drei Jahren einen externen Gutachter.

Ist der Grat, ob Psychiatrie oder Suchttherapie, nicht oft recht schmal?

Der Grat ist schmal, wenn Patienten zugleich an einer Suchterkrankung und zum Beispiel einer schizophrenen Störung leiden. Dann ist zu prüfen, was bei der Tat die entscheidende Rolle gespielt hat und was die weitere Gefährlichkeit ausmacht: die psychische Erkrankung oder die Sucht. Das entscheidet ein Gericht unter Hinzuziehung eines Gutachters. Aber ich denke, eine Abgrenzung ist dennoch gut möglich.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

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