„Stofffetzen hängen vor den Schusslöchern“

von Redaktion

5 FRAGEN AN

Unicef-Mitarbeiterin Claudia Berger, 55, ist für das Kinderhilfswerk weltweit und häufig in Krisengebieten unterwegs. Wir haben mit ihr über die spezielle Reise in die ehemalige IS-Hochburg Mossul gesprochen.

Was hat diese Reise in den Nordirak und nach Mossul von all Ihren anderen Einsätzen unterschieden?

Das war für mich die erste Reise in ein Land, das gerade erst einen Krieg hinter sich hat. Die Auswirkungen, die komplette Zerstörung, man kann schon fast sagen die Pulverisierung einer Millionenstadt wie Mossul, das hat mein Vorstellungsvermögen überschritten.

Gibt es ein Erlebnis, das Sie in Mossul besonders bewegt hat?

Was mich beeindruckt hat, war der Besuch bei einer Familie, die vor dem IS geflohen ist, das Haus wurde zerstört. Die Familie ist tatsächlich zurückgekehrt in ein Nichts. Sie hat einen Raum notdürftig hergerichtet, vor die Einschusslöcher Stofffetzen genagelt und es irgendwie halbwegs bewohnbar gemacht. In dem Raum gibt es eine Matratze und eine provisorische Kochstelle. Der Vater hat sich einen Kredit besorgt, um gegenüber einen kleinen Laden aufzumachen und seine Familie zu ernähren.

Was brauchen die Menschen am nötigsten?

Das Wichtige ist eine gesicherte und saubere Wasserversorgung. Die Menschen brauchen Wasser, das sie trinken können, ohne krank zu werden, das sie kochen können, ohne krank zu werden. Wasser ist überlebenswichtig. Und dann hören wir immer wieder von den Familien, wie wichtig Schulen für sie sind. Die Kinder brauchen einen Ort, der sicher ist, an dem sie ein wenig Alltag erleben und auch mal einfach mit Gleichaltrigen spielen können.

Wie hilft Unicef in Mossul konkret?

Unicef bringt täglich 500 Kubikmeter Wasser in Lastern in die Stadt. Wir bauen Schulen auf, statten Kinder mit Schulmaterial aus, kümmern uns um den Bereich Gesundheit in den Krankenhäusern.

Wie ist die Lage der Familien, die aus Mossul geflüchtet sind?

Die Familien, die nach wie vor in Flüchtlingscamps im Nordirak ausharren, können oft schlicht nicht zurück. Entweder ist ihr Dorf noch nicht sicher entmint oder total zerstört. Aber auch die Kinder in den Camps brauchen eine Perspektive und Betreuung. Dafür gibt es zum Beispiel kinderfreundliche Zonen. Egal ob in Mossul oder in den Camps, Unicef hilft da, wo Kinder und Familien Unterstützung brauchen.

Interview: Dorit Caspary

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