Sengenthal – In zehn Minuten mit dem Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen ist ein Traum, der auf ewig mit Bayerns CSU-Ikone Edmund Stoiber verbunden sein dürfte. Seine legendäre Rede dazu kann man immer noch im Internet abrufen. Die Magnetschwebebahn selbst ist dagegen an Milliardenkosten und einem schweren Unfall mit 23 Toten auf einer Teststrecke im niedersächsischen Emsland zerschellt. Eine mittelständische Baufirma aus der Oberpfalz will die Technologie nun entschleunigt und stark kostenreduziert wiederbeleben. „Ich bin schon etwas stolz auf das, was wir hier erreicht haben“, sagt Stefan Bögl in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Er ist Chef des Mittelständlers Max Bögl, der bisher nur Experten in der Baubranche ein Begriff war.
Bögl gilt als Spezialist für den Bau von Fahrwegen für den Schienenverkehr. Als solcher war das Familienunternehmen aus dem bayerischen Sengenthal Mitglied des einstigen Firmenkonsortiums, das den Transrapid in München zwischen Bahnhof und Flughafen zum Schweben bringen sollte. Als damals alles für immer verloren schien, hat Bögl erst eine Zeit überlegt und dann begonnen, eine eigene Idee auf Basis der Magnetschwebetechnik zu verwirklichen, um die Mängel des Transrapid abzustreifen.
Öffentlich weitgehend unbemerkt ist daraus ein serienreifer Prototyp nebst 820 Meter langer Teststrecke auf dem Firmengelände in Sengenthal bei Neumarkt in der Oberpfalz mit dem Kürzel TSB geworden. Das steht für Transport System Bögl. Fahrbahn, Zug und Leitsystem sind Eigenentwicklungen. Mit dem bis zu 500 Stundenkilometer schnellen Transrapid hat das nicht mehr viel zu tun. „Der war eine Fernbahn mit sehr hohen Geschwindigkeiten und technisch sehr aufwendig“, erinnert TSB-Projektchef Bert Zamzow. Die eigene Magnetschwebebahn sei dagegen ein für den Nahverkehr optimierter Zug, der maximal 150 Stundenkilometer schnell fährt und viel kostengünstiger kommt.
In der Nahverkehrsbranche gelten für eine neu gebaute U-Bahnstrecke pro Kilometer in beide Richtungen 300 Millionen Euro als Durchschnittswert. Der TSB soll mit einem Sechstel auskommen. Bei Zügen entfallen 70 Prozent aller Investitionskosten auf den Fahrweg. Den für den TSB hat Bögl schmalspurig und kostengünstig gehalten. Zudem fährt er autonom ohne Zugführer und ist wartungsarm. Seine Macher halten ihn auch gegenüber Straßenbahnen preislich für konkurrenzfähig. Zudem ist er sehr leise. Wenn er über die Oberpfälzer Teststrecke schwebt, bleibt das Zwitschern von Vögeln gut hörbar. Das ist auch in Innenstädten von Vorteil. Zudem soll der TSB pro Stunde und Richtung 30 000 Passagiere bewegen können, was sich gut für die Anbindung von Messen und Fußballstadien oder eben Flughäfen und Bahnhöfen eignen würde.
Nicht nur das und die grundsätzliche Technik verbindet TSB und Transrapid. Beider Zukunft scheint vor allem in China zu liegen. Auf mehr als eine Strecke hat es zwar der Transrapid dort nicht geschafft, aber beim TSB soll das anders werden. Demnächst wird der Prototyp nach China verfrachtet, um dort auf einer 3,5 Kilometer langen Teststrecke seine Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Dazu hat Bögl mit dem chinesischen Partner Xinzhu aus der 14-Millionen-Stadt Chengdu im Zentrum des riesigen Landes einen Kooperationsvertrag abgeschlossen.
In China gebe es für Nahverkehrszüge auf Magnetschwebebasis einen Masterplan, sagen die TSB-Erfinder. 5000 Kilometer derartiger Stadtschienenbahn seien geplant, was für den TSB den wirtschaftlichen Durchbruch bringen soll. Einen Milliardenmarkt sieht Bögl dort und über China hinaus. Sein Schwebezug habe weltweites Potenzial, sagt der Firmenchef. In Deutschland soll das Zulassungsverfahren dafür nächstes Jahr abgeschlossen werden. Danach wollen sich die Oberpfälzer auch hierzulande an Ausschreibungen beteiligen.
Interessenten gäbe es in Bayern: Im Landkreis München haben die Freien Wähler den TSB als Alternative im Nahverkehr ins Spiel gebracht. Und der Bundestag nahm Ende Juni 4 Millionen Euro in den Etat des Verkehrsministeriums auf, um eine Magnetschwebebahn auf dem Areal des Flughafens München zu prüfen.
Branchenexperten sind skeptisch: „Das ist ein Nischenprodukt“, sagt ein Fachmann aus der Bahnindustrie. Das Konzept möge in China funktionieren, wenn völlig neue Strecken gebaut werden. Aber in Europa mit bestehenden Nahverkehrssystemen auf Basis von Straßenbahnen und U-Bahnen sei Magnetschwebetechnik mit ihren eigenen Gleiskörpern so gut wie ausgeschlossen. Ganz neu sei sie zudem nicht und habe sich bislang nirgendwo durchgesetzt. So sei es im japanischen Nagoya bei der dortigen Magnetschwebebahn namens Linimo bei einer einzigen Nahverkehrsstrecke geblieben. Und so viele Menschen wie eine U-Bahn könne das System auch nicht transportieren. Kostengünstig sei es aber.
Bögl lässt sich nicht irritieren. Die Technik habe zuletzt große Fortschritte gemacht. Serienreif geworden sei der TSB genau zur richtigen Zeit, jetzt wo es erste konkrete Nachfrage gebe. „Wir freuen uns sehr, dass uns in China der Markteintritt gelungen ist“, sagt Stefan Bögl. Vielleicht beweist der Mittelständler einen besseren Riecher als so manche etablierte Größe in der Bahnindustrie.