-Warum gibt es heuer so viele Wespen?
Ursache für das große Aufkommen dieses Jahr ist Experten zufolge das in weiten Teilen Deutschlands warme und trockene Frühjahr. Zudem währte die sogenannte Schafskälte, wie ein kurzzeitiger Kälterückfall im Juni genannt wird, nur sehr kurz. „Dieses Jahr konnten wir so viele Wespen beobachten wie zuletzt 2003“, sagt Biologin Melanie von Orlow vom Naturschutzbund.
Wie Dr. Stefan Schmidt, Wespenexperte der Zoologischen Staatssammlung München, erklärt, entwickelt sich die Wespenpopulation zyklisch. Über mehrere Jahre findet der Aufbau statt. Ein höheres Aufkommen an Wespen sorge allerdings auch für mehr Hornissen, sagt Schmidt. Diese dezimieren den Wespenbestand, was wiederum ihr eigenes Nahrungsangebot einschränkt. Somit entwickeln sich die Populationen der befeindeten Wespenarten zeitverzögert.
-Welche Wespen können lästig werden?
Wie Schmidt klarstellt, gibt es eine große Vielfalt an Wespenarten. Während nur wenige Dutzend Arten im Freistaat vertreten sind, seien lediglich zwei davon lästig: die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe. Von anderen Wespen sind sie mit ihrem schwarz-gelben Körper kaum zu unterscheiden. „Trifft man hierzulande eine Wespe im häuslichen Bereich an, dann kann man sich relativ sicher sein, dass es sich um eine der beiden Arten handelt.“ Diese gehen auf leicht zugängliche Nahrungsquellen wie beispielsweise Kuchen und Grillfleisch. Im Gegensatz zu Bienen verfügen sie über keinen Saugrüssel, sondern über Kauwerkzeuge, daher bleibt ihnen der Zugang zu vielen Blüten verwehrt. Sie ernähren sich zwar bevorzugt von Nektar und Pflanzensäften, müssen die Blüten aber häufig aufbeißen. Im Spätsommer verlassen Wespen ihre Nester und haben ein geringeres Nahrungsangebot. Deshalb nehmen sie weitere Wege in Kauf und suchen auch im häuslichen Bereich nach Alternativen. In den kommenden Wochen ist daher vermehrt mit Wespen zu rechnen.
-Welchen Nutzen bieten Wespen eigentlich?
Im Gegensatz zu Bienen bestäuben Wespen keine Blüten. Daher fällt die menschliche Toleranz ihnen gegenüber bescheidener aus. Allerdings jagen sie Schädlinge wie etwa Blattläuse. „Sie erfüllen eine wichtige Funktion“, sagt Stefan Schmidt.
-Was provoziert Wespen besonders?
Alle Wespen und auch Bienen können zustechen. Dabei handelt es sich aber laut Schmidt um Unfälle – und zwar von beiden Seiten. Greift man beispielsweise nach ihnen, stechen sie zu. Der Wespenexperte grenzt zwei Szenarien ein, die zu einem Wespenstich führen können. Zum einen stechen Wespen zur Abwehr, wenn sie sich bedrängt fühlen. Dies geschieht sofort und reflexartig. Zum anderen können Wespen ausschwärmen, wenn sie ihr Nest bedroht sehen. Hierbei wird die Bedrohung sogar verfolgt und in die Flucht geschlagen, ähnlich wie man es von Bienenstöcken kennt. Wie Schmidt bestätigt, können bestimmte Farben und Gerüche auf Wespen anziehend wirken. Duftstoffe in Parfums etwa könnten attraktiv wirken. Besonders gelbe Kleidung wirkt anziehend auf die Insekten.
-Wie gefährlich sind die Stiche?
Wespen- oder Bienstiche sind zwar schmerzhaft, aber im Normalfall nicht besonders gefährlich. Selbst Stiche in Mund und Zunge sind meist harmlos. Hektische Reaktionen sind wenig hilfreich. Deshalb ruhig bleiben: Gegen Schmerzen und Schwellungen hilft der Verzehr von kaltem Wasser oder Eis, sowie Auflegen einer halben Zwiebel auf die Einstichstelle. Sticht eine Biene oder Wespe jedoch in den tiefen Rachenraum, sollte ein Arzt aufgesucht werden, weil die Atemwege zuschwellen können.
-Wie sind Allergiker von Wespen betroffen?
Einige Menschen leben in ständiger Angst vor dem Stich: Bis zu fünf Prozent der Bundesbürger sind nach Angaben des Ärzteverbands Deutscher Allergologen allergisch gegen Bienen- oder Wespengift. Sie reagieren darauf mit Juckreiz, Hautquaddeln, Atemnot, Schwindel oder Übelkeit. Im schlimmsten Fall kann es zu einem lebensbedrohlichen allergischen Schock kommen. Experten raten den Betroffenen zu einer spezifischen Immuntherapie, die bei bis zu 95 Prozent der Patienten erfolgreich sei. In jedem Fall sollten Allergiker ein Notfallset mit Medikamenten und einer Adrenalinspritze in der Tasche haben.
-Ab wann sieht man keine Wespen mehr?
Im Spätsommer beenden Wespen ihr Brutgeschäft und hinterlassen ihr Nest. Spätesten im Herbst, bei erstem Frost, sterben die Arbeiterinnen und Männchen der Deutschen und Gemeinen Wespen. Die Königinnen hingegen überwintern, beispielsweise unter einer Moosdecke. Im Frühling erwachen sie, soweit nicht in der Zwischenzeit gestorben, aus der Kältestarre und machen sich gleich ans Eierlegen. Ein sehr milder Winter könnte zu Schimmelbildung führen, ein sehr kalter Winter hingegen sei für Wespenköniginnen auch gefährlich.
-Was ist in den nächsten Jahren zu erwarten?
Die Masse der Wespenarten bevorzugt wärmeres Klima. Bei steigenden Temperaturen ist die Ansiedlung von neuen Wespenarten zu erwarten, wie es in Süddeutschland bereits der Fall sei. Hier gibt Wespenexperte Schmidt jedoch Entwarnung: Bislang sei noch keine Art in Aussicht, die, wie die beiden bekannten Störenfriede, lästig wird. Der Grund: Die anderen Arten suchen nicht so weit von ihren Nestern entfernt nach Nahrung. Eugen Weigel mit afp