Maßnahmen gegen Vandalismus

Strafenkatalog für den Englischen Garten

von Redaktion

Von Christopher Meltzer und Stefan Sessler

München – Als McKonna Horn, 27, die Horror-Geschichten hört, kann er sie kaum glauben. Er schleicht sofort um die Säulen des Monopteros, dem Wahrzeichen des Englischen Gartens, findet aber nicht, was er sucht. Ein paar Zigarettenstummel, kleine Scherben, das war’s. Die Säulen aber sind sauber. Vor zwei Wochen waren sie mal wieder beschmiert worden, auf dem Handy sieht sich Horn die Bilder an, das rote Gekritzel, die großen schwarzen Buchstaben. Der US-Amerikaner wohnt erst seit vier Wochen in München, an diesem Tag ist er das erste Mal auf den Hügel mit dem Monopteros gestiegen. Als er die Bilder sieht, schüttelt er den Kopf. „Wie kann man das an so einem Ort nur tun?“

So sehen das viele. Der Englische Garten ist zum Problembezirk geworden. Vandalismus, Gewalt gegen Polizisten, Sauforgien. Kaum ein Wochenende ohne Schreckensnachricht, so war das zuletzt. Jetzt will das bayerische Finanz- und Heimatministerium durchgreifen – mit einem eigenen Strafenkatalog für den Englischen Garten. Startschuss ist der 1. Juni.

Es geht um besprühte Säulen, vor allem aber um die Randalierer, die zuletzt nur mit viel Polizei zu beruhigen waren. Dem Ministerium untersteht die Bayerische Schlösserverwaltung – und damit auch der Englische Garten. „Wir können nicht dulden, dass der Englische Garten willkürlich zerstört und Rettungskräfte angegriffen werden“, sagt Finanzminister Albert Füracker (CSU). Er ist der oberste Wächter des E-Gartens. Er hat das Problem zur Chefsache gemacht.

McKonna Horn kommt gerne in den Englischen Garten. Er ist in Kalifornien aufgewachsen, verliebte sich dort aber in ein Mädchen aus Fürstenfeldbruck. Also ist er vor einem Monat nach München gezogen, und es dauerte nur wenige Tage, da verliebte er sich auch in den Englischen Garten. Ihm gefällt, dass dort viele Sprachen gesprochen werden und dass es fast immer ein Fußballspiel zum Mitkicken gibt. Er hat sich neulich auch mal an der Surferwelle angestellt, aber nur an der kleinen, die große traut er sich noch nicht zu.

So geht es vielen, wenn sie den Garten der Münchner kennenlernen. Einen Ort, an dem man die berühmte Liberalitas Bavariae mit Händen greifen kann. Surfer, Biertrinker, Hundefreunde, Jogger, Nackerte, im Englischen Garten sind sie alle. Es ist, wenn man so will, ein Freistaat für sich, wo jeder grundsätzlich so sein kann, wie er will. Angeschwipst, nackt, sonnengegerbt, fast alles ist erlaubt. Ein Bayern im Miniaturformat. Das ist auch der Grund, warum alle so genau hinschauen, wenn in dieser gigantischen Oase etwas schief läuft. Hier wird die bayerische Weltoffenheit täglich gelebt – und manchmal auch auf die Probe gestellt. Man kann vereinfacht sagen: Geht es dem Englischen Garten gut, dann geht es München gut. Gerade geht es beiden nicht so gut.

Die Wunden sind noch frisch. Immer wieder hat es Vorfälle gegeben, zuletzt die beschmierten Säulen des Monopteros. Schaden 20 000 Euro. Alleine das Entfernen und das Anbringen eines neuen Graffitischutzes hat zusätzlich 3000 Euro gekostet.

Am schlimmsten war aber eine Krawallnacht Ende April, als Jugendliche Polizisten, Feuerwehrler und Rettungskräfte mit falschen Notrufen in den Park lockten, um sie zu attackieren und mit Flaschen zu bewerfen. Ein Feuerwehrmann sagte damals: „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Diese Nacht hat aus einem kleinen Münchner Problem ein bayerisches gemacht. „Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen müssen wir handeln“, sagt Finanz- und Heimatminister Füracker. Die neue Parkverordnung sei „eine wichtige Grundlage, um frühzeitig gegen Störer einschreiten und mit Bußgeldern Grenzen setzen zu können“. Mit der alten Hausordnung hatten die Beamten wenig Handhabe gegen Ruhestörer und Vandalen. Nun versuchen die Behörden einen fast unmöglichen Befreiungsschlag: Sie wollen den Park kontrollieren, ohne seine Freiheiten einzuschränken.

Es ist ein Spagat, keine Frage. Aber einer, der mit einem juristischen Kniff gelingen soll. In der neuen Parkverordnung stehen all jene Dinge, die verboten sind: auf Skulpturen klettern, gewerbliche Aktivitäten aller Art inklusive musizieren, betteln, offene Feuerstellen, Beschädigung von Mobi–liar, jagen, wildern, Tiere fangen, baden, das Aufstellen von Pavillons und Wohnwagen, frei laufende Hunde, das Nichtentfernen von Hundekot, solche Sachen.

Aber nicht alle Delikte können mit einer Geldbuße belegt werden, das ist der Trick. Wer den Monopteros beschmiert, Pflanzenbeete zerstört oder eine Musikparty veranstaltet, die man auch noch am Odeonsplatz hört, wird natürlich zur Kasse gebeten. Wer hingegen auf der Eisbachwelle surft, badet oder seinen Hund doch mal frei laufen lässt, der muss mit keiner Geldstrafe rechnen – obwohl es eigentlich verboten ist. Es wird schlicht nicht verfolgt. Schlaue Juristen haben das ausgetüftelt.

Der genaue Strafenkatalog ist noch nicht bekannt, aber auch in Bayreuth haben sie kürzlich eine ähnliche Parkverordnung verabschiedet – dort bewegen sich die Geldbußen zwischen 10 und 50 Euro, je nach Schwere des Vorfalls. An diesen Summen, heißt es, will man sich auch in München orientieren.

An der Eisbachwelle, die McKonna Horn zu groß ist, surfen an diesem Tag zwei junge Frauen. Obwohl die Sonne nicht scheint, sind viele Zuschauer da, sie zücken ihre Handys, machen Fotos. „Die Welle ist halt auch ein Wahrzeichen“, sagt Marina Seeger, 23, eine der beiden Surferinnen. „Wenn sie das Surfen verbieten, rauben sie ein Wahrzeichen.“ Das wird aber nicht passieren. Trotzdem haben die Surfer genau davor Angst.

Ein paar Meter weiter spaziert Daniela Briechle, 55, mit ihrer Hündin Skippy. Als Skippy befreunde Hunde entdeckt, flitzt sie los, rennt mit den anderen Tieren im Kreis. „Es ist wichtig, dass die Hunde ohne Leine miteinander spielen können“, sagt Briechle. Von einem Leinenverbot hält sie nichts. Trotzdem gilt es im Englischen Garten. Es wird nur nicht verfolgt. Skippy ist einer der großen Gewinner der Liberalitas Bavariae im E-Garten. Ein winziges Detail, aber ein schönes.

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