„Ich konnte nicht mehr klar denken“

von Redaktion

Geboren in Starnberg, Vater einer fünfjährigen Tochter, Elektriker: Alexander B. schweigt zur Tat, schildert aber viele Details seiner Biografie

München – Wie wurde Alexander B., 38, zum S-Bahn-Schützen? Vor Gericht antwortet er brav und zurückhaltend – allerdings nur zu seinem Lebenslauf, nicht zur Tat selbst. 1981 wurde B. in Starnberg geboren. Die Eltern sind beide Musiklehrer, 1983 zog die Familie nach Colorado und baute sich ein Leben in den USA auf.

In seiner Kindheit und Jugend wies noch nichts auf die paranoide Schizophrenie hin, an der Alexander B. leidet. Er absolvierte die Highschool, zog mit 18 Jahren bei seinen Eltern aus und wurde Elektriker. Später arbeitete er für mehrere Firmen und verdiente 60 000 Dollar pro Jahr. „Davon konnte ich gut leben“, sagt B., der sich von dem Geld einen Geländewagen und auch eine Eigentumswohnung kaufte. Doch privat gab es Schwierigkeiten: Zwischen 2008 und 2010 hatte Alexander B. massive Alkoholprobleme, gelegentlich rauchte er auch Marihuana oder nahm Kokain. Die Sucht bekam er in den Griff, psychisch ging es aber weiter bergab: Zweimal versuchte sich B. im Jahr 2011 das Leben zu nehmen – einmal während eines Urlaubes in Spanien, wo er sich mit dem Auto überschlug, aber knapp überlebte. Den Unfall hatte er absichtlich herbeigeführt. „Ich konnte nicht mehr klar denken“, erklärt er vor Gericht.

Alexander B. spricht leise, die Schultern hängen schlaff, er wirkt fast ratlos. Einen auslösenden Anlass – eine Krise etwa – habe es nicht gegeben. Erstmals kam B. in die Psychiatrie, blieb eine Woche und erhielt starke Medikamente. Doch er fing sich wieder. Mit seiner Freundin zeugte er eine Tochter, die heute fünf Jahre alt ist.

Die Beziehung ging vor drei Jahren aber in die Brüche. „Wir sind heute gute Freunde“, sagt B., zu seinem Kind habe er ein gutes Verhältnis. Nach der Trennung lebte er allein. 2017 plante er dann eine Europa-Reise, flog im Juni nach Athen. „Da kamen die schlechten Gedanken wieder.“ Sein Kopf raste, berichtet B. „Ich verlor die Kontrolle über meine Gedanken.“ Wieder brach die Krankheit durch. Wohl auch, weil B. seine Medikamente nicht mehr nahm. „Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und habe mich nicht gut gefühlt. Mir ging es immer schlechter.“

Spontan entscheidet er sich deshalb, den Trip nach Prag umzubuchen – und fliegt nach München, wo er Verwandte in Schwabhausen und Dachau besuchen will. „Ich war sehr paranoid und dachte, dass die Leute mich auslachen. Ich konnte nicht mehr still sitzen und war überzeugt, dass ich vergiftet werde.“ Das Essen im Flugzeug rührte er nicht an und sprach mit niemandem. „Nach der Landung wurde es nicht besser“, sagt B. Stattdessen kommt es am 13. Juni 2017 in Unterföhring zur Katastrophe. Andreas Thieme

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